Die schöne Diebin
wohnt.“
„Dann stellt sich die Frage, wer vor ein paar Wochen nach Stockport-on-the-Medlock gezogen ist.“
„Ja …“ Der Squire runzelte die Stirn. „Seit wir mit dem Bau der Fabrik begonnen haben, sind eine Menge neuer Gesichter hier aufgetaucht. Arbeiter, Aufseher, Baumeister, Investoren und andere.“
„Wenn es so viele sind, dass wir nicht über alle Informationen einholen können, dann müssen wir uns über das Motiv des Einbrechers Gedanken machen.“ Brandon wünschte, dieses Gespräch wäre endlich vorüber. Jede Erwähnung der Katze hatte zur Folge, dass sich bei ihm unterhalb der Gürtellinie etwas regte. Das war faszinierend und erschreckend zugleich. Er räusperte sich. „Das heißt, wir müssen herausfinden, warum der Dieb sich nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen interessiert. Vielleicht, weil er etwas gegen die Fabrik hat und glaubt, dass sie Menschen arbeitslos macht?“
„Was für ein Unsinn“, widersprach Bradley.
Nicht überrascht fand Brandon sich in seiner Meinung bestätigt, dass der Squire nicht besonders weitsichtig war. Er nickte in Erinnerung an den etwa zehn Jahre zurückliegenden Arbeiteraufstand, der unter dem Namen Peterloo in die Geschichtsbücher eingegangen war. Die beginnende Industrialisierung war nicht ohne Folgen geblieben. Vieles hatte sich verändert. Manches würde weitere Veränderungen nach sich ziehen. Darauf musste auch die Politik reagieren. Eine Lösung für die anstehenden Probleme zu finden, sah er als eine seiner wichtigsten Aufgaben an.
„Kennen Sie jemanden, der neu in der Gegend ist und etwas gegen die geplante Fabrik haben könnte?“, wandte er sich noch einmal an Bradley.
Dieser schüttelte den Kopf. „Ich kenne ja nur diejenigen, die sich aktiv für den Bau einsetzen. Die Investoren, die Architekten … Sie alle sind noch nicht lange in Stockport-on-the-Medlock. Aber The Cat ist bestimmt keiner von ihnen.“
„Wohl kaum …“ Zumal es sich nicht um einen Mann, sondern um eine Frau handelt! „Wir sollten auch an die Bewohner der Vororte von Manchester denken. Die Stadt ist kaum vier Meilen von hier entfernt. Es wäre ein Leichtes, die nächtlichen Einbrüche von dort aus zu unternehmen.“
Der Squire sah plötzlich unbehaglich drein. Etwas musste ihm eingefallen sein.
„Wir dürfen niemanden aus unseren Überlegungen ausschließen“, ermutigte Brandon ihn.
„Aber … Die beiden, die mir gerade eingefallen sind, haben bestimmt nichts mit den Diebstählen zu tun. Also, da ist einmal der neue Pastor. Doch den haben Sie selbst ja empfohlen, und zweifellos haben Sie vorher Erkundigungen über ihn eingezogen.“
Brandon nickte.
„Und dann“, erneut zögerte Bradley, „ist noch eine unverheiratete Dame hierher gezogen, Miss Eleanor Habersham. Ehrlich gesagt, ich schäme mich, weil ich ihren Namen in diesem Zusammenhang überhaupt erwähne. Meine Gattin und ihre Freundinnen treffen sich regelmäßig mit Miss Habersham zum Tee. Wie ich gehört habe, gibt es bei ihr das leckerste Gebäck weit und breit. Ich selbst habe sie noch nicht kennengelernt. Es heißt, dass sie Männern gegenüber ein wenig ängstlich ist.“
„Eine zurückhaltende alte Dame also?“
„Schüchtern und weltfremd, möchte ich sagen. Allerdings nicht so alt, wie Sie vielleicht annehmen.“
„Sie selbst wird wohl vollkommen harmlos sein. Aber was ist mit ihrem Personal? Wäre es denkbar, dass jemand, der für sie arbeitet, heimlich einer zweiten Beschäftigung nachgeht?“
Entsetzt riss der Squire die Augen auf. „Um Himmels willen! Die arme Frau! Ich hoffe doch sehr, dass Sie sich irren, Mylord. Auf jeden Fall sollten wir etwas unternehmen, um die Ärmste, wenn nötig, zu schützen.“
„Auf jeden Fall“, stimmte Brandon zufrieden mit dem Erfolg seiner Taktik zu. Er wusste schließlich, dass The Cat kein Mann, sondern eine Frau war. Es konnte also von großem Nutzen sein, sich diese Miss Habersham einmal anzuschauen. Und mithilfe des Squires und seiner Gattin würde er sich problemlos Zutritt zum Haushalt der Dame verschaffen können.
„Was wollen wir tun?“, erkundigte Bradley sich.
„Ich würde Miss Habersham gern einen Besuch abstatten, um mir ein Bild von ihrer Situation zu machen. Es ist zu ihrem eigenen Besten, nicht wahr? Was halten Sie davon, wenn wir sie gemeinsam aufsuchen? Wann lädt sie das nächste Mal zum Tee?“
„Heute.“
„Heute? Nun, ich war immer der Meinung, dass man nichts aufschieben soll, was man gleich erledigen
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