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Die schoene Frau Seidenman

Die schoene Frau Seidenman

Titel: Die schoene Frau Seidenman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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der Menschheit. Ehe Sie sich's versehen, kriecht einer nach dem anderen aus dem Loch. Sie tragen den Stein des Weisen in der Hosentasche. Jeder hat einen anderen Stein, und sie bewerfen sich mit den Steinen, nur treffen sie gewöhnlich die Köpfe anständiger Menschen wie Sie oder ich. Sie wollen unsere Zukunft über ihren Leisten schlagen. Und sie wollen unsere Vergangenheit nach ihren Leisten formen. Sind Sie derartigen Leuten noch nie begegnet, Herr Kujawski?«
      »Kann schon sein«, sagte der Schneider versöhnlich und betrachtete den Faun im Goldrahmen von neuem begehrlich.
      »Übrigens«, fuhr der Richter fort, »finde ich die Bemerkung über die Installateure höchst interessant. Hoffentlich sind Sie kein Prophet, lieber Herr Kujawski. Denn es könnte der Tag kommen, da sie uns alle in den Abfluß spülen. Hübsch würden wir da aussehen.«
      »Was das Bild angeht, Herr Richter«, nahm der Schneider das Thema schüchtern wieder auf, »so könnte ich diesen Faun noch heute mitnehmen. Den Rahmen berechnen Herr Richter extra. Ein Junge kommt mit dem Handwagen, wickelt ihn in Packpapier, bindet eine Schnur drum und schafft ihn in aller Ruhe weg.«
      »Wegschaffen kann er, Herr Kujawski, aber ich würde gern Ihr Angebot hören.«
      »Herr Richter haben Paweł gegenüber erwähnt, es soll zum Teil in Naturalien sein.«
      »Stimmt. Das würde ich gern sehen. Ich denke hauptsächlich an Fett und Fleisch.«
      Kujawski drohte dem Richter scherzhaft mit dem Finger und sagte: »Herr Richter wirken sehr intellektuell, haben aber einen Kopf für Geschäfte.«
    Er brachte diese Worte in fröhlichem Ton heraus, aber mit unruhigem Herzen, weil er nicht sicher war, ob es sich gehörte, so mit dem Richter zu sprechen. Der Schneider Kujawski trug mehr Bargeld bei sich, als der Richter im Laufe eines Jahres gesehen hatte, und fühlte sich dennoch gegenüber dem alten Herrn im Schaukelstuhl befangen, nicht nur weil der Richter einst sein Wohltäter gewesen war, sondern auch aus dem ganz banalen Grund, daß er seinen Platz auf Erden kannte. Noch war die Zeit nicht gekommen, da Geld und Macht über die Position des Menschen entschieden. Der Schneider gehörte zu jener Epoche, die auf einer gewissen geistigen, porzellanzarten, aber gleich einem römischen Aquädukt dauerhaften Ordnung beruhte. Es herrschte eine Hierarchie der menschlichen Seelen, und alle wußten, daß es einen Adel auf Erden gab, nicht von Geburt, sondern aus dem Inneren der menschlichen Person stammend. Deshalb war Kujawski ein wenig verwirrt und schaute den Richter an. Der aber lachte herzlich auf.
      »Den hätte ich gern, lieber Herr Kujawski, den hätte ich gern, das läßt sich nicht verheimlichen«, sprach er heiter. Er war sensibel wie ein Seismograph, er besaß die besondere Empfindlichkeit, die Dichter Intelligenz der Gefühle nennen, darum fuhr er fort: »Doch das Schicksal hat mir die Bekanntschaft mit Ihnen geschenkt, und Sie haben den Kopf für uns beide. Ich verlasse mich ganz auf ihr Angebot.«
      Und fügte sogleich in dezidiertem Ton hinzu, um Kujawski nicht zu kränken und dessen kaufmännisches Vergnügen zu beeinträchtigen: »Aber ich werde hartnäckig feilschen, lieber Herr Kujawski.«
    »Versteht sich«, entgegnete der Schneider. Er wußte, er würde überzahlen, nur um wieder auf dem abgewetzten Sofa in diesem Salon zu sitzen, wo es nach alten Gegenständen und dem Staub auf den zahlreichen Büchern duftete.

2
    P awełek Kryński öffnete die Augen und betrachtete seine Hände. Nach dem Erwachen betrachtete er stets seine Hände. Waren sie schon blaugrau und tot und sonderten mit dunkel gewordenen Fingernägeln Leichengift ab, oder waren sie noch seine eigenen, lebendigen? Pawełek – so nannten ihn alle von Kindesbeinen an – sollte demnächst sein neunzehntes Lebensjahr vollenden. In diesem Alter widerfuhr dem Menschen jener Zeiten Ungewöhnliches. Er kannte die Unterschiede der Geschlechter bereits genau und hatte den Glauben an die Unsterblichkeit verloren. Erst später sollte er ihn wiedergewinnen; doch die frühen Mannesjahre machten ihn, ähnlich wie das gesetzte Greisenalter, mit dem Tode vertraut. Pawełek Kryński trat demnach in einen Zeitabschnitt ein, da Liebe und Tod zu Freunden des Mannes werden, die sich nie von ihm trennen. Der Gedanke an sie verläßt den Mann bei keinem Schritt.
      Wenige Jahre später hätte sich ein achtzehnjähriger Mann mit solchem Leiden und solcher Furcht nur noch

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