Die schoene Helena
seit vierzehn Tagen in London, hatte sie bereits zahlreiche Bewunderer angelockt, die sich jetzt rings um das Klavier versammelten.
Das störte Adam nicht im Mindesten. Voller Stolz stand er neben seiner Frau und ließ sie keine Sekunde lang aus den Augen - nicht einmal, als ihn die Duchess of Blenheim ansprach.
Von ihren Verehren gedrängt, begann Helena zu singen. Eine bewegende Melodie erfüllte den Raum. Nach einer Weile spähte Adam zu der Ecke hinüber, wo zwei ältere Damen saßen. Seit er mit seiner Gemahlin den Raum betreten hatte, steckten sie die Köpfe zusammen. Nun wogte der üppige Busen der einen Matrone, während Helenas schöne Stimme erklang, und die andere betupfte ihre Lider mit einem Taschentuch.
Adam wandte sich wieder zu Helena. Wie reizend sie aussah ... Eigentlich müsste er den jungen Gentlemen zürnen, die sie dauernd umschwirrten. Aber das durfte er ihnen nicht verübeln.
Glücklicherweise würden sie bald nach Rathford Manor zurückkehren. Nur dort fühlte er sich heimisch. Das Haus bildete den Mittelpunkt seines Lebens. In diesen Mauern war sein Sohn geboren worden, rings um Strathmere wohnten seine Freunde, und er beschäftigte sich mit seiner erfolgreichen Jagdhundezucht. Was ihm Rathford Manor bot, übertraf alle seine einstigen Träume. Um Reichtum und gesellschaftliches Ansehen zu suchen, war er nach Northumberland gekommen. Und er hatte einen viel kostbareren Schatz gefunden.
London gefiel ihm nicht mehr so gut wie früher. Gewiss, er war Helena dankbar, weil sie ihn auf dieser Geschäftsreise begleitet hatte, seinen Erben und einige Dienstboten im Schlepptau. Aber er sehnte sich ebenso wie sie nach Northumberland, wo sie spazieren gingen und fast täglich ausritten. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild seiner Frau - wie sie die Renovierung des Herrensitzes beaufsichtigte, Dinnerpartys oder Bälle gab. Nur im Rathford Manor konnte sie unbeschwert lachen oder in seine Arme sinken, wann immer sie wollte. Am liebsten beobachtete er, wie sie mit dem kleinen Stephen spielte. Ohne Rücksicht auf die Konventionen betreute sie ihn selbst, statt ihn in die Obhut eines Kindermädchens zu geben.
Während Adam seinen Gedanken nachhing, hob Helena den Kopf und begegnete seinem Blick. Liebevoll erwiderte sie sein Lächeln. Wenn sie ihn so anschaute, stockte sein Atem immer noch, und sein Herz schlug schneller. Heute Nacht wird sie für diesen verführerischen Ausdruck in ihren schönen Augen bezahlen, beschloss er und trank einen Schluck Champagner.
Hastig sah sie sich um, und nachdem sie festgestellt hatte, dass gerade niemand ihr Gesicht betrachtete, formten ihre Lippen drei Worte: Ich liebe dich.
Adam prostete ihr zu, mit derselben stummen Antwort.
Drüben in der Ecke bewegten die beiden älteren Damen ihre Fächer so heftig, dass er fürchtete, die zarten Spitzengebilde würden davonfliegen.
Nun musste er an einer geschäftlichen Unterredung in der Bibliothek teilnehmen. Voller Ungeduld kehrte er eine knappe Stunde später in den Salon zurück und eilte geradewegs zu seiner Frau, entschuldigte sich bei ihren Gesprächspartnern und führte sie beiseite. „Amüsierst du dich?“
Sie wandte sich zu ihm, und ihre rechte Brust streifte seinen Handrücken - unbeabsichtigt oder auch nicht. Sofort spannte sich sein ganzer Körper an. „Bring mich nach Hause, Adam“, bat sie mit leiser, kühler Stimme.
Was er in ihren Augen las, war unmissverständlich.
Der überstürzte Aufbruch veranlasste mehrere Gäste, die Brauen hochzuziehen. Daran verschwendeten Helena und Adam keinen einzigen Gedanken, als sie in der Kutsche saßen.
- Ende -
IMPRESSUM
HISTORICAL EXKLUSIV erscheint alle zwei Monate in der Harlequin Enterprises GmbH
Erste Neuauflage by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg, in der Reihe: Historical Exklusiv, Band 38 (6) 2012
©2001 by Jacqueline Lepore Navin Originaltitel: „The Sleeping Beauty“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Deutsche Erstausgabe 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe HISTORICAL, Band 173 Übersetzung: Vera Möbius
Fotos: Harlequin Books S. A.
Weitere Kostenlose Bücher