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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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bekanntermaßen damit anzustellen pflegte. Ich ging hinüber und sah nach; zum Glück befanden sich weder Eingeweide noch Finger darin. Nur ein paar Mangos, Papayas und so weiter und eine Karte mit der Aufschrift:
»Felicitaciones!
Hotel Nacional.« Eine Standardnachricht, absolut nicht ungewöhnlich. Jedoch genug, um Rogelio umzubringen.
    Wir schauten in die Schränke und unter das Bett, fanden aber nichts. Abgesehen von dem Obstkorb war das Zimmer so leer wie das Regalfach mit der Kennzeichnung »Seele« in Dexters Innerem.
    Weiss war verschwunden.

33
    M eines Wissens habe ich noch nie gebummelt. Um ganz ehrlich zu sein, ich bezweifle sogar, dass ich jemals auch nur flaniert bin, doch bummeln liegt mir gewiss vollkommen fern. Muss ich irgendwohin, habe ich stets mein Ziel vor Augen, und wenngleich ich nicht prahlerisch klingen will, ähnelt mein Gang doch eher einem forschen Ausschreiten.
    Doch nachdem wir Weiss’ Hotelzimmer verlassen und den Fahrstuhl bestiegen hatten, sprach Chutsky mit mir, während er die Waffen wieder in der Aktentasche verstaute, und wies mich so eindringlich darauf hin, wie wichtig es sei, lässig, zwanglos und sorgenfrei zu wirken, dass ich, als wir die Hotellobby betraten, wohl tatsächlich bummelte. Ich bin ganz sicher, dass es das war, was Chutsky tat, und ich hoffe, ich wirkte dabei natürlicher als er – selbstverständlich hatte er einen künstlichen Fuß, mit dem er zurechtkommen musste, also war mein Auftritt vielleicht tatsächlich überzeugender.
    Wie auch immer, jedenfalls bummelten wir durch die Lobby und bedachten jeden, der uns zufällig ansah, mit einem Lächeln. Wir bummelten aus der Tür, die Eingangstreppe hinunter und hinüber zu dem Mann in der Admiralsuniform, und dann bummelten wir an ihm vorbei zum Randstein, während er das erste Taxi aus der Schlange der wartenden Wagen herbeirief. Unser langsames, zufriedenes Mäandern setzte sich im Auto fort, denn Chutsky wies den Fahrer an, uns zur Festung El Morro zu bringen. Ich sah ihn fragend an, doch er schüttelte nur den Kopf, und so blieb es mir überlassen, das Rätsel zu lösen. Soweit ich wusste, existierte kein geheimer Tunnel, über den man von El Morro aus Kuba verlassen konnte. Die Festung war einer der am meisten von Touristen überlaufenen Orte Havannas, überflutet von Kameras und dem Geruch von Sonnencreme. Ich versuchte, einen Moment wie Chutsky zu denken – sprich, ich tat, als sei ich ein Verschwörungsspezialist –, und nach kurzem Grübeln hatte ich es.
    Die Tatsache, dass es sich um einen von Touristen überlaufenen Ort handelte, war exakt der Grund, warum Chutsky den Fahrer angewiesen hatte, uns dorthin zu bringen. Falls es zum Schlimmsten kam, und ich musste zugeben, dass es im Moment ganz danach aussah, würde unsere Spur dort enden, in einer Menschenmenge, was es ein wenig schwerer machte, sie wieder aufzunehmen.
    Deshalb lehnte ich mich zurück und genoss die Fahrt und die zauberhafte, vom Mondlicht erhellte Aussicht und die Vorstellung, dass ich absolut keine Vorstellung hatte, wohin Weiss sich jetzt wenden und was er als Nächstes tun würde. Ich fand einigen Trost in dem Gedanken, dass er es vermutlich selbst nicht wusste, doch nicht genug, um mich wirklich glücklich zu machen. Irgendwo fiel derselbe Schimmer selig lachenden Lichts eines bleichen Mondes auf Weiss. Und vielleicht wisperte er ihm dieselben schrecklichen, wunderbaren Dinge in sein inneres Ohr – verschlagene und lächelnde Vorschläge für Dinge, die man an diesem Abend tun konnte, jetzt, sehr bald – noch nie hatte ich im Flutbecken von Dexter Beach eine so starke Anziehung durch einen so schäbigen Mond gespürt.
    Doch so war es, sein sanftes Glucksen und Kichern setzte mich dermaßen unter Strom, dass ich das Gefühl hatte, in die Dunkelheit bersten und den ersten Zweifüßler, der mir begegnete, niedermetzeln zu müssen. Ursache war vermutlich nur meine Enttäuschung, Weiss wieder einmal verpasst zu haben, doch es war sehr stark, und ich kaute den ganzen Weg nach El Morro auf meiner Unterlippe.
    Der Fahrer setzte uns vor dem Eingang zur Festung ab, wo eine große, wirbelnde Menge auf die abendliche Schau wartete und eine Anzahl Straßenhändler ihre Stände aufgebaut hatte. Ein älteres Paar in Shorts und Hawaiihemden kletterte ins Taxi, nachdem wir ausgestiegen waren, und Chutsky ging zu einem Händler und erstand zwei gekühlte grüne Dosen Bier. »Hier, für dich, Kumpel«, sagte er und reichte mir eine. »Lass

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