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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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und Feuerwaffen. Nur glückliches, sorgloses, entspannendes Gemetzel. Gewiss schien das angesichts all dieser hochtechnischen, stahlnervigen Vorbereitungen primitiv und sogar einfallslos, doch war es immerhin ehrliche, gesunde Arbeit. Kein testosterongeschwängertes Warten, währenddessen man Kugeln poliert. Chutsky nahm meinem Lebenswerk jede Freude.
    Ich hatte jedoch um seine Hilfe gebeten, und nun kam ich da nicht mehr raus. Deshalb blieb mir nichts anderes, als die bestmögliche Miene aufzusetzen und weiterzumachen. »Sehr nett«, sagte ich mit einem ermutigenden Lächeln, das nicht einmal mich täuschte. »Wann fangen wir an?«
    Chutsky schnaubte und steckte die Waffen zurück in die Aktentasche. Dann streckte er mir diese, an seinem Haken baumelnd, entgegen. »Wenn er hier eintrifft«, antwortete er. »Stell die erst mal in den Kleiderschrank.«
    Ich nahm die Aktentasche entgegen und trug sie zum Kleiderschrank. Doch als ich die Hand nach dem Griff ausstreckte, hörte ich irgendwo in der Ferne ein schwaches Rauschen von Schwingen, und ich erstarrte.
Was ist das?,
fragte ich lautlos. Zur Antwort erhielt ich ein leichtes, unhörbares Zucken, steigende Wachsamkeit, doch sonst nichts.
    Deshalb langte ich in die Tasche, holte meine lächerliche Waffe heraus und hielt sie im Anschlag, während ich den Knauf an der Schranktür drehte. Ich öffnete die Tür – und konnte einen Moment lang nicht mehr tun, als in den unbeleuchteten Raum zu starren und darauf zu warten, dass eine antwortende Dunkelheit ihre schützenden Schwingen um mich legte. Es war ein unmögliches, surreales, traumzeitliches Bild – doch nachdem ich es eine scheinbar schrecklich lange Weile angestarrt hatte, musste ich glauben, dass es die Wahrheit zeigte.
    Es war Rogelio, Chutskys Freund von der Rezeption, der uns Bescheid sagen wollte, wenn Weiss eintraf. Doch nun sah es so aus, als würde er uns nie mehr etwas sagen, es sei denn, wir kommunizierten über ein Ouija-Brett. Falls die äußere Erscheinung wirklich etwas über einen Menschen aussagt, musste man angesichts des fest um den Hals geschlungenen Gürtels und der Art, in der Zunge und Augen hervorquollen, davon ausgehen, dass Rogelio außerordentlich tot war.
    »Was ist denn, Kumpel?«, fragte Chutsky
    »Ich glaube, Weiss hat bereits eingecheckt.«
    Chutsky erhob sich schwerfällig vom Bett und kam zum Schrank. Er starrte einen Moment, dann fluchte er: »Scheiße!« Er streckte die Hand aus und fühlte nach dem Puls – vollkommen unnötig, dachte ich, doch ich nehme an, es gibt ein Protokoll für diese Dinge. Selbstverständlich tastete er keinen Puls und murmelte: »Verdammte Scheiße!« Ich konnte den Nutzen dieser Wiederholung nicht erkennen, doch natürlich war er der Experte, weshalb ich einfach nur zuschaute, wie er die Hand nacheinander in Rogelios Taschen gleiten ließ. »Sein Generalschlüssel«, sagte er und steckte ihn ein. Er brachte den üblichen Kleinkram zum Vorschein – Schlüssel, ein Taschentuch, einen Kamm, ein wenig Geld. Er musterte es einen Augenblick sorgfältig. »Der Zwanziger ist kanadisch«, stellte er fest. »Da hat ihm wohl jemand ein Trinkgeld gegeben, was?«
    »Meinst du Weiss?«, fragte ich.
    Er zuckte die Achseln. »Wie viele kanadische Mörder kennst du?«
    Eine berechtigte Frage. Da die Saison der Eishockeyliga seit ein paar Monaten beendet war, fiel mir nur einer ein – Weiss.
    Chutsky zog einen Umschlag aus Rogelios Brusttasche. »Bingo«, sagte er. »Mr. B. Weiss, Zimmer 865.« Er gab mir den Umschlag. »Ich schätze, das sind Getränkegutscheine. Mach ihn auf.«
    Ich löste die Klappe und zog zwei rechteckige Karten heraus. Tatsächlich: zwei Getränkegutscheine für das Cabaret Parisien, das berühmte, hoteleigene Varieté. »Woher hast du das gewusst?«, fragte ich.
    Chutsky beendete seine schaurige Durchsuchung und richtete sich auf. »Ich habe Mist gebaut. Als ich Rogelio erzählt habe, Weiss hätte Geburtstag, hatte er nichts anderes mehr im Kopf, als das Hotel von seiner besten Seite zu zeigen und vielleicht ein Trinkgeld abzustauben.« Er hielt den kanadischen Zwanzigdollarschein hoch. »Das ist ein Monatslohn. Man kann ihm keinen Vorwurf machen.« Er zuckte die Achseln. »Ich habe Mist gebaut, und er ist tot. Und unser Arsch steckt tief in der Scheiße.«
    Obzwar er diese Metapher nicht wirklich durchdacht hatte, verstand ich, was er damit sagen wollte. Weiss wusste, dass wir hier waren, wir hatten keine Ahnung, wo er war oder was er

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