Die schöne Kunst des Mordens
uns da runterschlendern.«
Erst bummeln und jetzt schlendern – alles an einem Tag. Mir schwirrte der Kopf. Doch ich schlenderte, nippte an meinem Bier und folgte Chutsky ungefähr hundert Meter zum anderen Ende der Menge. Einmal blieben wir an einem Souvenirstand stehen, und Chutsky kaufte zwei T-Shirts mit dem Bild eines Leuchtturms auf der Brust und zwei Kappen mit der Aufschrift Kuba. Dann schlenderten wir zum Ende des gepflasterten Wegs. Als wir dort ankamen, sah er sich beiläufig um, warf seine Bierdose in einen Abfalleimer und sagte: »In Ordnung. Sieht gut aus. Hier rüber.« Er bewegte sich lässig zu einer Gasse zwischen zwei alten Festungsgebäuden, und ich ging ihm nach.
»Okay«, sagte ich. »Und jetzt?«
Er zuckte die Achseln. »Umziehen«, kommandierte er. »Dann zum Flughafen und mit der ersten Maschine raus, ganz egal wohin, und ab nach Hause. Oh – hier.« Er langte in die Aktentasche und nahm zwei Pässe heraus. Er schlug sie auf und reichte mir einen. »Derek Miller, okay?«
»Sicher, warum nicht. Ein schöner Name.«
»Ja, stimmt«, meinte er. »Besser als Dexter.«
»Oder Kyle«, ergänzte ich.
»Kyle wer?« Er hielt seinen neuen Pass hoch. »Calvin«, verbesserte er mich. »Calvin Brinker. Aber du kannst Cal zu mir sagen.« Er begann Sachen aus seinen Jackentaschen in seine Hose zu räumen. »Wir müssen die Jacken ebenfalls loswerden. Ich wünschte, wir hätten genug Zeit, um uns eine komplett neue Ausstattung zu besorgen. Aber das wird unser Profil ein bisschen verändern. Zieh das an«, sagte er und reichte mir eines der T-Shirts und eine Kappe. Ich schlüpfte wirklich außerordentlich dankbar aus meiner grauenhaften grünen Jacke und dem Hemd und streifte hastig meine nagelneue Garderobe über. Chutsky tat es mir nach, dann verließen wir die Gasse und stopften unsere Baptistenverkleidung in einen Abfalleimer.
»Okay«, meinte er, und wir gingen zurück zum anderen Ende, wo ein paar Taxis warteten. Wir sprangen ins erste, Chutsky sagte zum Fahrer: »Aeropuerto José Martí«, und wir waren unterwegs.
Die Fahrt zum Flughafen ähnelte der in die Stadt. Nur wenige Autos, abgesehen von Taxis und einigen Militärfahrzeugen, und der Fahrer ging sie an wie ein Hindernisrennen zwischen Schlaglöchern. Nachts war das ein bisschen knifflig, da die Straße nicht beleuchtet war, und er schaffte es nicht immer, einige Male setzten wir hart auf, aber schließlich erreichten wir den Flughafen, ohne lebensgefährliche Verletzungen davongetragen zu haben.
Diesmal setzte uns das Taxi an dem neuen, schönen Terminal ab statt vor dem Gulag-Gebäude, vor dem wir gelandet waren. Chutsky lief direkt zu dem Monitor, der die Abflüge anzeigte.
»Cancún, startet in fünfunddreißig Minuten«, verkündete er. »Perfekt.«
»Und was wird aus deiner James-Bond-Tasche?«, erkundigte ich mich, da ich mir dachte, sie könnte bei der Abfertigung zu leichten Unannehmlichkeiten führen, weil sie mit Waffen und Granatwerfern und was weiß ich noch allem vollgestopft war.
»Keine Sorge«, beruhigte er mich. »Hier rüber.« Er führte mich zu einer Reihe von Schließfächern, warf ein paar Münzen ein und stopfte die Aktentasche hinein. »Alles in Ordnung«, sagte er. Er knallte das Schließfach zu, zog den Schlüssel und ging mir voran zum Schalter der Aeroméxico, wobei er auf dem Weg kurz innehielt, um den Schlüssel in einen Abfallbehälter zu werfen.
Die Warteschlange war nicht lang, und innerhalb kürzester Zeit hatten wir zwei Tickets nach Cancún erstanden. Traurigerweise gab es nur noch Sitze in der ersten Klasse, doch da wir uns auf der Flucht vor den Repressalien eines kommunistischen Staates befanden, hielt ich die zusätzliche Ausgabe für gerechtfertigt, ja für geradezu poetisch. Die reizende junge Frau sagte uns, das Boarding habe bereits begonnen, und wir müssten uns beeilen, was wir taten, unterbrochen nur vom Vorzeigen unserer Pässe und dem Zahlen einer Ausreisesteuer, was nicht so schlimm war, wie es klingt, da ich offen gesagt größere Schwierigkeiten wegen der Pässe erwartet hatte, und als diese ausblieben, störte ich mich nicht mehr an der Bezahlung der Steuer, gleichgültig, wie lächerlich die Idee scheint.
Wir kamen als letzte Passagiere an Bord, und ich bin sicher, dass die Flugbegleiterin weniger freundlich gelächelt hätte, wären wir zweiter Klasse geflogen. So aber wurde uns sogar ein Glas Champagner kredenzt, als Dank dafür, dass wir so wunderbar gewesen waren, uns in
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