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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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fortsetzte, bis sein Meisterwerk ihn schließlich umbrachte. Nun erinnerte ich mich daran, dass er eine Ikone der Gruppierung in Paris gewesen war, die uns das brillante »Jennifers Bein« geschenkt hatte.
    Ich weiß nicht viel über Kunst, doch ich hänge an meinen Körperteilen. Sogar Weiss hatte bis jetzt bewiesen, dass er ein wenig knauserig mit seinen Gliedern war, trotz all meiner Bemühungen. Doch ich konnte die spezielle ästhetische Anziehungskraft erkennen, die diese bestimmte Kunstrichtung auf ihn ausübte; insbesondere, wenn er sie, wie er behauptete, weiterentwickelte. Warum mit dem eigenen Körper Kunst schaffen, wenn man genauso gut die Körper anderer verwenden konnte, was nicht einmal weh tat? Und zudem die eigene Laufbahn verlängerte. Ich applaudierte seinem außerordentlich gesunden Menschenverstand und hatte ganz stark das Gefühl, dass ich nur allzu bald den nächsten Schritt seiner künstlerischen Karriere in Augenschein nehmen konnte, und zwar irgendwo in zu großer Nähe von Dexter, dem Kunstbanausen.
    In den folgenden Tagen kontrollierte ich die betreffende YouTube-Seite hin und wieder, doch sie änderte sich nicht, und der Rhythmus meiner außerordentlich geschäftigen Arbeitswoche ließ das Ganze zu einer unangenehmen Erinnerung verblassen.
    Zu Hause war es nicht einfacher; noch immer wachte ein Polizist an unserer Tür, wenn die Kinder nach Hause kamen, und obgleich die meisten von ihnen sehr nett waren, trug ihre Gegenwart nicht gerade zur allgemeinen Beruhigung bei. Rita wirkte zunehmend abgelenkt und geistesabwesend, als wartete sie auf ein wichtiges Ferngespräch, und das wirkte sich schädlich auf ihre normalerweise ausgezeichneten Kochkünste aus. Innerhalb von nur einer Woche blieben zweimal Reste des Essens übrig – ein nie dagewesenes Ereignis in unserem kleinen Haushalt. Auch Astor schien von der seltsamen Stimmung beeinträchtigt und war zum ersten Mal, seit ich sie kannte, relativ schweigsam; sie hockte mit Cody vor dem Fernseher und schaute immer wieder ihre Lieblings- DVD s, ohne in der restlichen Zeit mehr als ein oder zwei Worte mit uns zu wechseln.
    Cody wiederum war zu meinem Befremden der Einzige, der eine gewisse Lebhaftigkeit zeigte. Er freute sich auf sein nächstes Wölflingstreffen, selbst wenn das bedeutete, dass er dabei die verhasste Uniform tragen musste. Doch als ich ihn fragte, was ihn zu dieser Meinungsänderung bewogen hatte, gestand er, eigentlich nur darauf zu hoffen, dass der neue Gruppenleiter ebenfalls tot aufgefunden würde und er dieses Mal vielleicht irgendetwas zu sehen bekäme.
    So schleppte sich die Woche dahin, das Wochenende barg keine Erleichterung, und der Montagmorgen graute erneut, wie er es immer zu tun scheint. Obgleich ich eine Schachtel Doughnuts mit zur Arbeit brachte, hatte der Montag mir im Gegenzug nichts anzubieten, abgesehen von noch mehr Arbeit. Eine Schießerei bescherte mir mehrere unnötige Stunden auf den heißen Straßen. Ein sechzehn Jahre alter Junge war tot, und schon bei einem kurzen Blick auf die Blutspritzer war offensichtlich, dass er aus einem fahrenden Fahrzeug heraus erschossen worden war. Doch bei polizeilichen Ermittlungen ist ein »offensichtlich« unzureichend, weshalb ich in der heißen Sonne schwitzte und Dinge tat, die körperlicher Arbeit gefährlich nahekamen, nur damit ich die korrekten Formulare ausfüllen konnte.
    Als ich in mein Kabuff in der Zentrale zurückkehrte, hatte mein Schweiß den größten Teil meiner menschlichen Außenhülle abgewaschen, und ich verlangte nichts mehr vom Leben als eine Dusche, trockene Kleidung und dann womöglich jemanden aufzuschlitzen, der es gründlich verdient hatte. Das wiederum lenkte die langsam dahinschnaufende Bahn meiner Gedanken natürlich zu Weiss, und da ich nichts zu tun hatte, außer das Gefühl und den Geruch meines Schweißes zu bewundern, kontrollierte ich ein weiteres Mal die Seite bei YouTube.
    Sie trug den Titel »Dexterama«!
    In dieser Situation blieb mir keine Wahl. Ich klickte den Rahmen an.
    Zunächst erschien ein verschwommener Fleck, dann erklang eine Trompetenfanfare, die ein feierliches, mich an Schulabschlussfeiern erinnerndes Musikstück einleitete. Es folgte eine Reihe von Bildern: die » NEUES-MIAMI «-Leichen und, zwischengeschnitten, die Gesichter der Zuschauer, während Weiss’ Stimme ertönte, die klang wie die bösartige Version eines Wochenschausprechers.
    »Seit Tausenden von Jahren«, intonierte er, »stoßen uns schreckliche

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