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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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der Schrei eine Aufnahme war.
    – Was bedeutete, dass er mich hineinlocken sollte.
    – Was bedeutete, dass Weiss bereit war und auf mich wartete.
    Es ist nicht gerade furchtbar schmeichelhaft für mein einzigartiges Ich, doch die Wahrheit lautet, dass ich tatsächlich einen Sekundenbruchteil innehielt, um die Geschwindigkeit und Klarheit meiner Gedankenabläufe zu bewundern. Doch dann hörte ich glücklicherweise auf die schrille innere Stimme, die kreischte: »Lauf, Dexter, lauf!«, und schoss aus dem Haus und die Zufahrt hinunter, gerade noch rechtzeitig, um das bronzefarbene Auto mit quietschenden Reifen davonbrausen zu sehen.
    Und dann erhob sich in meinem Rücken eine riesige Hand und schlug mich zu Boden, ein heißer Windstoß fegte über mich hinweg, und Wimbles Haus war in einer Wolke aus Flammen und niederprasselndem Geröll verschwunden.

22
    E s war das Propan«, ließ mich Detective Coulter wissen. Ich lehnte an einem Krankenwagen und presste mir einen Eisbeutel an den Kopf. Meine Verletzungen waren insgesamt gesehen banal, doch da es meine waren, schienen sie irgendwie bedeutender, und ich erfreute mich weder an ihnen noch an der Aufmerksamkeit, die sie mir eintrugen. Auf der anderen Straßenseite stieg aus den Trümmern von Wimbles Haus nach wie vor Rauch auf, und die Feuerwehrleute stocherten und spritzten weiterhin in der Schutthalde herum. Das Haus war zwar nicht vollkommen zerstört, aber in der Mitte fehlte ein großes Stück von den Grundmauern bis zum Dach, womit es sicherlich den größten Teil seines Marktwerts eingebüßt haben dürfte, als es in die Kategorie luftige Fixerlaube katapultiert wurde.
    »Also«, sagte Coulter. »Er ließ das Gas aus dem Heizkörper in dem schalldichten Raum, warf was rein, um es anzuzünden, was, wissen wir noch nicht, und ist aus der Tür und weg, ehe alles hochging.« Coulter hielt inne und nahm einen langen Zug aus der großen Limoflasche, die er in der Hand hielt. Ich beobachtete, wie sein Adamsapfel zwischen zwei schmierigen Speckfalten auf und ab hüpfte. Er setzte die Flasche ab, steckte den Zeigefinger in den Flaschenhals und wischte sich den Mund mit dem Unterarm, während er mich anstarrte, als hindere ich ihn daran, eine Serviette zu benutzen.
    »Warum hatte er einen schalldichten Raum, was meinen Sie?«, fragte er.
    Ich schüttelte kurz den Kopf und hörte dann damit auf, weil es wehtat. »Er war Videoproduzent«, sagte ich. »Vermutlich benutzte er ihn für Aufnahmen.«
    »Aufnahmen«, meinte Coulter. »Nicht um Leute aufzuschlitzen.«
    »Genau«, bestätigte ich.
    Coulter schüttelte den Kopf. Ihm tat das offensichtlich nicht im Geringsten weh, denn er fuhr mehrere Sekunden damit fort, während er das rauchende Haus betrachtete.
    »So, und Sie waren
warum
hier?«, fragte er. »Den Teil habe ich nicht richtig verstanden, Dex.«
    Natürlich hatte er diesen Teil nicht richtig verstanden. Ich hatte alles getan, um Antworten auf diesbezügliche Fragen zu vermeiden, indem ich jedes Mal, wenn sich jemand dem Thema näherte, meinen Kopf umklammerte und blinzelte und stöhnte, als quälten mich schreckliche Schmerzen. Selbstverständlich war mir bewusst, dass ich früher oder später eine zufriedenstellende Antwort bereithalten musste, doch »zufriedenstellend« war der Knackpunkt. Gewiss konnte ich behaupten, ich hätte meine dahinsiechende Oma besucht, doch Polizisten haben die unerfreuliche Angewohnheit, solche Antworten zu überprüfen, und Dexter hat leider weder eine dahinsiechende Oma noch irgendeinen anderen plausiblen Grund für seine Anwesenheit bei der Explosion des Hauses, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es mich nicht wesentlich weiterbringen würde, wenn ich mich auf Zufall berief.
    Und in der ganzen Zeit, seit ich mich vom Pflaster aufgerappelt hatte und hinüber zu einem Baum geschwankt war, an den gelehnt ich bewundert hatte, wie schön ich noch meine Gliedmaßen bewegen konnte – in der ganzen Zeit, in der ich zusammengeflickt worden war und dann auf Coulters Eintreffen gewartet hatte –, in all diesen sich zu Stunden dehnenden Minuten war es mir nicht gelungen, mir etwas einfallen zu lassen, das auch nur einigermaßen glaubwürdig klang. Und als Coulter mich jetzt hartnäckig anstarrte, wurde mir klar, dass meine Zeit abgelaufen war.
    »Also, was denn nun?«, drängte er. »Warum genau sind Sie hier? Um Ihre Wäsche abzuholen? Nebenjob als Pizzabote? Was?«
    Einer der größten Schocks an diesem aufwühlenden

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