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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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als hätte ihm jemand Knoblauch in seine Limonade getan. »Habe ich irgendwas verpasst? Sie wissen schon, irgendwas Erhellendes?«
    »Sie ist meine Schwester«, wiederholte ich, und es klang unglaublich schwach, selbst in meinen Ohren.
    »Ja, das habe ich schon kapiert. Was anderes haben Sie nicht anzubieten?«
    Mir kam es vor, als wäre ich in Zeitlupe gefangen, während riesige und massive Dinge an mir vorbeizischten. Mein Herz klopfte, und meine Zunge war zu dick, und meine legendäre Gerissenheit hatte mich komplett im Stich gelassen. Coulter beobachtete mich, während ich schwerfällig und schmerzerfüllt den Kopf schüttelte, und ich dachte:
Das ist ein äußerst gefährlicher Mann.
Doch ich brachte nichts als ein »Tut mir leid« heraus.
    Er musterte mich noch einen Augenblick länger, dann drehte er sich um. »Ich glaube, Doakes hatte recht, was Sie angeht«, meinte er. Dann überquerte er die Straße, um mit den Feuerwehrleuten zu sprechen.
    Schön. Die Erwähnung von Doakes war der perfekte Abschluss einer bezaubernden Plauderei. Ich riss mich zusammen, um nicht schon wieder den Kopf zu schütteln, doch die Versuchung war groß, denn mir schien, dass das, was vor wenigen Tagen noch ein gesundes und geordnetes Universum gewesen war, plötzlich heftig taumelnd außer Kontrolle geriet. Erst tappte ich in die Falle und verwandelte mich beinah in eine Fackel, und dann stellte sich ein Mann, den ich für einen Fußsoldaten im Krieg gegen die Intelligenz gehalten hatte, als getarnter General heraus – und zu allem Überfluss stand er auch noch mit den letzten lebenden Überresten meiner Nemesis Sergeant Doakes im Bunde, und es schien äußerst wahrscheinlich, dass er dort weitermachte, wo Sergeant Doakes mit der Verfolgung des armen gehetzten Dexter aufgehört hatte. Wo sollte das enden?
    Und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre – was es meiner Meinung nach war –, befand ich mich wegen Weiss und seiner möglichen Angriffspläne noch immer in größter Gefahr.
    Alles in allem schien es mir ein sehr guter Zeitpunkt, jemand anderes zu sein. Unglücklicherweise gehörte dieser Trick zu den Dingen, die ich bisher nicht gemeistert hatte. Da mir nichts anderes übrigblieb, als über das nahezu sichere Verhängnis nachzugrübeln, das sich mir mit so schrecklicher Geschwindigkeit aus so vielen verschiedenen Richtungen näherte, ging ich den Block hinunter zu meinem Wagen. Und da ich offensichtlich noch nicht annähernd genug erlitten hatte, löste sich eine schmale, geisterhafte Gestalt vom Bürgersteig und glitt im Gleichschritt neben mir her.
    »Sie waren hier, als es passierte«, stellte Israel Salguero fest.
    »Ja«, antwortete ich, während ich mich fragte, ob der nächste Satellit aus seiner Umlaufbahn auf meinen Kopf fallen würde.
    Er schwieg einen Moment, dann blieb er stehen. Ich drehte mich zu ihm um. »Sie wissen, dass ich nicht gegen Sie ermittle«, sagte er.
    Ich fand es nett, das zu hören, aber angesichts dessen, wie die Dinge in den letzten Stunden gelaufen waren, hielt ich es für besser, schweigend zu nicken, also tat ich es.
    »Doch offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen dem, was hier passiert ist, und dem Vorfall mit Ihrer Schwester, und
in dem
ermittle ich«, fuhr er fort, und ich war froh, dass ich nichts gesagt hatte. So froh, dass ich beschloss, auch weiterhin die Taktik des Schweigens zu verfolgen.
    »Sie wissen, dass zu den wichtigsten Dingen, die ich aufzudecken beauftragt bin, jegliche Art von Selbstjustiz seitens unserer Beamten gehört«, führte er aus.
    »Ja«, antwortete ich. Immerhin, nur ein Wort.
    Er nickte. Er hatte den Blick nicht von meinem Gesicht gewandt. »Vor Ihrer Schwester liegt eine vielversprechende Karriere. Es wäre eine Schande, wenn ihr etwas wie das hier dazwischenkäme.«
    »Sie ist nach wie vor bewusstlos«, sagte ich. »Sie hat nichts getan.«
    »Nein, hat sie nicht«, bestätigte er. »Wie steht es mit Ihnen?«
    »Ich habe nur versucht, den Mann zu finden, der sie niedergestochen hat. Ich habe nichts Falsches getan.«
    »Selbstverständlich«, antwortete er. Er wartete darauf, dass ich weiterredete, doch das tat ich nicht, und nach einer Zeitspanne, die mehrere Wochen zu dauern schien, lächelte er, tätschelte mir den Arm, überquerte die Straße und begab sich zu Coulter, der auf der anderen Seite stand und an seiner Limoflasche saugte. Ich sah zu, wie die beiden miteinander sprachen, sich nach mir umdrehten und dann wieder

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