Die schoene Luegnerin
hatte, mehr zu verraten.
Die Vertrautheit hatte einen Riß bekommen, weil Josh sie daran erinnert hatte, daß sie eine Außenseiterin war. Auch wenn Carrie sich schon jetzt nicht mehr vorstellen konnte, ein Leben ohne die beiden Kinder zu fuhren, hielt Josh immer noch Distanz zu ihr. Sie war für ihn jemand, der in ein paar Tagen abreiste, und einem Menschen, der sozusagen auf der Durchreise war, würde er niemals seine Geheimnisse anvertrauen.
Schweigend aß Carrie ihr Brot und starrte in die Flammen. Im stillen rügte sie sich selbst, weil sie zuviel erwartet hatte. Hatte sie tatsächlich geglaubt, daß er ihr eingestehen würde, sie falsch eingeschätzt zu haben, nur weil sie ihm geholfen hatte, als er Hilfe brauchte? Hätte er ihr etwa sagen sollen, daß er sie jetzt nicht mehr für eine hohlköpfige, nutzlose Person hielt? Wenn sie nicht nach Eternity gekommen wäre und Josh nicht hintergangen hätte, wäre Tem nie auf die Idee gekommen, eine Klapperschlange zu fangen, und Josh hätte ihre Hilfe niemals gebraucht...
»Gibt’s heute keine Geschichten über Ihre Brüder? « fragte Josh.
Sie spürte, daß er sie ein wenig aufheitern wollte, aber es half nicht. »Warum erzählen Sie mir nicht etwas über Ihren Bruder? « versetzte sie bissiger, als sie beabsichtigt hatte.
»Er ist der beste Farmer auf der Welt. Er produziert Mais und Rüben erster Güte, und alles steht in ordentlichen Reihen auf seinen Feldern. Ich glaube, daß es kein Käfer wagen würde, sich an seinen Pflanzen gütlich zu tun. «
»Wieso hat er Ihr Pferd? « Carrie hatte sofort gemerkt, daß der Hengst Josh gehörte. Ein Mann und ein Pferd harmonieren nur dann so perfekt miteinander, wenn Sie viel Zeit zusammen verbracht und gelernt hatten, sich gegenseitig zu vertrauen.
»Ich hab’ es ihm verkauft«, antwortet Josh leise. »Besser gesagt, ich habe es ihm als Anzahlung für die Farm überlassen. «
Carrie versuchte, ihre Entrüstung zu verbergen. Sie konnte nicht begreifen, daß jemand seinem Bruder ein Pferd wegnahm — egal aus welchem Grund. Sie hätte gern mehr Fragen gestellt, aber sie tat es nicht, weil sie nicht noch einmal zurückgewiesen werden wollte.
Nach einem langen Schweigen erhob sich Josh und kam auf ihre Seite des Feuers. »Der Tag wird bald anbrechen. Wir sollten versuchen, ein wenig zu schlafen. «
Carrie gähnte. »Ich glaube, ich könnte eine ganze Woche schlafen. « Sie streckte sich, und erst als sie Joshs seltsamen Blick bemerkte, fiel ihr auf, daß ihr die Decke über die Schultern gerutscht war. Sie war schon drauf und dran, ihre Brüste wieder züchtig zu bedecken, aber dann besann sie sich anders. Es war ohnehin gleichgültig. Er hatte beschlossen, sie zu verschmähen, und das würde er auch durchhalten.
Sie legte sich neben Tem in den Sand, schlang die Arme um den Jungen und schloß die Augen. Josh ließ sich auf der anderen Seite neben seinem Sohn nieder. Carrie blinzelte ein wenig, und nach einem Blick in die dunklen Augen ihres Mannes vergaß sie all ihren Ärger. Sie streckte die Hand aus und berührte vorsichtig die Wunde an seiner Wange.
»Hören Sie auf«, flüsterte Josh beinahe qualvoll.
Carrie ließ ihre Hand, wo sie war, und strich sanft über seine Schläfe.
Josh sah sie lange an. Sie war ihm so nah und doch so weit entfernt... Schließlich drehte er sich auf die Seite und kehrte ihr den Rücken zu.
Tränen brannten in Carries Augen. »Gute Nacht«, sagte sie so ruhig wie möglich. Josh gab keine Antwort.
9. Kapitel
Carrie erwachte mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war warm und trocken unter der Decke, und sie wußte, daß Tem wohlbehalten an ihrer Seite lag. Sie spürte eine Hand auf ihrer Wange und genoß das Gefühl mit geschlossenen Augen, ehe sie sich umdrehte.
»Carrie«, flüsterte Josh, und sie sah ihn an. Er war angezogen und kniete neben ihr. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war noch immer dunkel. Als sie ihn anlächelte, zuckte er zurück, als hätte er sich verbrannt.
»Ich beiße nicht«, murmelte sie verschlafen und hob ihre nackten Arme. »Ist alles in Ordnung? «
»Ich muß den Suchtrupp finden und den Männern sagen, daß Tem in Sicherheit ist. «
Carrie riß die Augen auf. »Das habe ich ja ganz vergessen. Glauben Sie, daß sie die ganze Nacht gesucht haben? «
»So wie ich meinen Bruder kenne, hat er während des Regens überhaupt nichts unternommen. Er wird nicht gern naß, nicht einmal, wenn sich ein Kind in Gefahr befindet. «
Carrie starrte ihn
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