Die schöne Mätresse
Grund muss ich dich heute Abend verlassen, obwohl mich die Reden langweiliger alter Politiker erwarten. Geoffrey wird London bald verlassen, und ich will mich noch um diese Munitionsliste kümmern. Dieses Rätsel konnte ich bisher leider nicht lösen.“
„Ich dachte, das einzige Rätsel besteht darin, warum der Nachschub niemals an seinem Bestimmungsort ankommt“, sagte Emily amüsiert.
„Ja“, stimmte Evan zu, „aber beunruhigender ist, dass die Auflistung der Kosten niemals mit den Mengen übereinstimmt, die tatsächlich transportiert werden.“ Er runzelte die Stirn. „Ich hege seit einiger Zeit einen Verdacht – aber ich sollte nicht darüber sprechen. Nicht einmal mit dir, meine Liebe, obgleich mir deine Meinung mehr bedeutet als das Urteil dieser Heuchler, mit denen ich heute Abend diskutieren muss.“
„Ich bezweifle, dass dir meine Ansichten nützlich sein könnten. Schließlich stammen meine Informationen nur aus der Zeitung, während deine Kollegen sich auch auf andere Quellen stützen können.“
„Diese Quellen müssen aber auch von intelligenten Menschen interpretiert werden, um von Nutzen zu sein.“ Evan schnitt eine Grimasse. „Abgesehen vom alten Hooky streben die meisten Politiker mehr nach Ansehen und Macht, als sich verantwortungsvoll um ihre Pflichten zu kümmern. Und falls unser Problem gravierendere Ursachen als schlichte Inkompetenz haben sollte, gehören die Schuldigen in den Tower.“
„Ich wünschte, alle Mitglieder der Regierung würden so denken! Andr… wir dachten immer, die Aristokraten in England seien so weit vom eigentlichen Kriegsgeschehen entfernt, dass sie nur geringes Interesse für die Bedürfnisse der Truppen zeigen würden, geschweige denn Verständnis.“ Emily betrachtete ihn versonnen. „Du bist anders.“
Ihr Lob verursachte ein warmes Gefühl in ihm. „Ich bin also nicht der eitle, nichtsnutzige Dandy, für den du mich zuerst gehalten hast?“
Sie warf ihm einen strengen Blick zu. „Du willst nur wieder Komplimente hören.“
Er nahm ihre Hand und küsste sie. „Ja, und ich schäme mich nicht dafür.“
Ihre Augen funkelten schelmisch. „Zugegeben, gelegentlich habe ich dich arbeiten sehen – sofern du nicht bis zur Mittagszeit schläfst, deinen Schneider aufsuchst, im Club Karten spielst oder trinkst …“
Evan legte ihr beschwichtigend einen Finger auf die Lippen. „Kleine Hexe. Ich würde wirklich bis mittags im Bett bleiben, könnte ich dich nur dazu überreden, mir dabei Gesellschaft zu leisten.“ Er zog sie an sich.
Sie erwiderte seinen leidenschaftlichen Kuss, dann schob sie ihn sanft fort. „Es ist besser, wenn ich mich morgens meiner Arbeit widme und dich deiner überlasse. Das Land – und unsere Soldaten – brauchen verantwortungsvolle Männer wie dich. Aber jetzt muss ich Baines hereinlassen, bevor sich seine Laune noch mehr verschlechtert.“
„Hat Baines sich dir gegenüber etwa respektlos verhalten? Dann werde ich ihn auf der Stelle entlassen!“
Sie wandte errötend das Gesicht ab. „Nein, das darfst du nicht. Ich meinte nur, er ist etwas überarbeitet, da er viele Aufträge für dich erledigen muss. Es ist nur verständlich, dass er manchmal nicht die richtigen Worte findet.“
Als sie an Evan vorbeigehen wollte, hielt er sie zurück. „Bleib hier und trinke deinen Tee aus. Ich werde mich um Baines kümmern.“ Er schob sie sanft zum Stuhl. „Und falls er sich in deiner Gegenwart künftig nicht der allerbesten Manieren befleißigen sollte, lass es mich sofort wissen.“
„Oh, aber …“
„Setze dich.“ Er unterstrich den Befehl mit einem leichten Klaps auf den Po.
Seufzend kehrte sie zu ihrem Platz zurück.
Evan runzelte die Stirn, während er den Verkaufsraum durchquerte. Baines wurde gut dafür bezahlt, dass er ihm diente, sei es nun im Stadthaus am Portman Square oder hier. Die Tatsache, dass der Mann beinahe jeden Tag frische Garderobe für seinen Herrn in den Hutsalon bringen musste, war nicht von Bedeutung. Falls dem Diener die neuen Pflichten nicht behagten, die durch Evans Verbindung mit Emily entstanden waren, sollte er sich besser bald damit abfinden – oder sich eine neue Anstellung suchen.
Auf eine scharfe Äußerung hin beteuerte Baines, er würde Seiner Lordschaft jeden Wunsch mit Freuden erfüllen. Anschließend schickte Evan ihn fort. Er küsste Emily auf die Stirn und stieg die schmale Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf.
Hinter dem Paravent in der Ecke bemühte er sich, seinen engen
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