Die schöne Mätresse
schlimmere Lasten geschleppt, das versichere ich dir. Nein, bleib liegen.“ Sanft drückte sie ihn zurück in die Kissen. „Du wüsstest ohnehin nicht, wo du nachsehen solltest, und in der Küche ist nicht Platz genug für uns beide. Es wird nur einen Augenblick dauern.“
Ihre vollkommenen Brüste schimmerten im Mondlicht, das durch die Balkontüren fiel. Nachdem sie ihm eine Kusshand zugeworfen hatte, streifte sie sich das Negligee über und verließ den Raum.
Evan blickte ihr sehnsuchtsvoll nach. Er war vermutlich der glücklichste Mann in ganz England. Lächelnd stand er auf und ging zu ihrer Frisierkommode hinüber. Dort blickte er in den Spiegel und zeigte mit dem Finger auf sein eigenes Spiegelbild. „Du“, sagte er zu sich selbst, „bist ein echter Glückspilz.“
Er war verliebt wie ein Jüngling. Immer noch lachend, berührte er ihre silberne Haarbürste und einen kleinen Flakon, dem der unverkennbare Lavendelduft entströmte, den sie bevorzugte. Wie sehr er diesen betörenden Geruch liebte! Er würde ihr ganze Fässer davon kaufen, damit sie sich immer damit parfümieren konnte. „Für mich“, flüsterte er.
Dann bemerkte er ein kleines Bild und hob es spontan hoch. Es war das Porträt eines lächelnden schwarzhaarigen Mannes in einer roten Offiziersuniform.
6. KAPITEL
E vans Magen krampfte sich zusammen, als hätte ihm jemand einen Fausthieb versetzt. Mit bebenden Fingern stellte er die Miniatur ab, wobei er beinahe den Ständer umgeworfen hätte.
Idiot, schalt er sich im Stillen. Wessen Porträt hatte er auf ihrem Frisiertisch vermutet – das ihres Dienstmädchens? Es war einfach lächerlich, dass er sich betrogen fühlte. Er war eifersüchtig auf einen toten Mann!
Er warf noch einen schnellen Blick auf das Bild. „Gut, Soldat“, murmelte er, „du magst zwar ein Held gewesen sein, aber du bist nicht mehr hier, um ihr beizustehen. Ich schon – und ich werde sie beschützen. Jetzt gehört sie mir, und nichts kann …“
Er verstummte abrupt. Nein, er konnte nicht glauben, was er tat. Er stritt. Mit einem Porträt. Dem Porträt eines toten Mannes.
Verlor er seinen Verstand?
Ein leises Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Als er sich umdrehte, stand Emily an der Tür. Ihr Blick wanderte von seinem Gesicht zu dem kleinen Gemälde. Nach kurzem Zögern ging sie weiter und stellte das Tablett auf dem Frisiertisch ab. Sie wandte ihm den Rücken zu und schenkte Tee ein.
„Du hattest Recht, das Tablett war schwer“, meinte sie leise. „Möchtest du Gebäck? Es ist auch Paella übrig. Ich dachte, du würdest vielleicht etwas davon mögen.“ Lächelnd drehte sie sich um. In einer Hand hielt sie eine Tasse mit Untertasse, in der anderen die Teekanne. „Hier ist es ein wenig eng. Wollen wir im Salon speisen?“
Er murmelte etwas Unverständliches und nahm die dampfende Tasse entgegen, dann folgte er ihr in den anderen Raum. Als er beim Hinausgehen kurz zurückschaute, bemerkte er, dass der Porträtständer nun leer war.
Einige Wochen später saßen sie beim Tee in Emilys Arbeitszimmer. Plötzlich klingelte die Türglocke des Ladens.
„Das müsste eigentlich Baines mit meiner Abendgarderobe sein.“ Evan seufzte. „Ich muss gestehen, dass ich versucht bin, meine Verabredung abzusagen. Ich würde lieber Francescas Kochkünste genießen und dir zuhören, während du das nächste Kapitel von Miss Austens Roman liest. Diese Miss Bennet …“, er zwinkerte ihr zu, „scheint ebenso raffiniert zu sein wie du.“
„Tatsächlich? Ich würde es vorziehen, dich wieder einmal beim Schach zu schlagen.“
„Beim letzten Mal hast du verloren“, bestätigte er. „Obwohl es vielleicht besser ist, dir am Schachbrett gegenüberzutreten, als deine seltsamen politischen Ansichten ertragen zu müssen“, scherzte er.
„Was ist so seltsam daran, darauf zu bestehen, dass jedes Mitglied des Parlaments genau über die Fakten der Angelegenheit informiert ist, über die abgestimmt wird? Oder auszusprechen, dass die jetzige Agrarpolitik die Schäfer in die Armut treiben wird? Schließlich sind sie von Land abhängig, das der Allgemeinheit gehört, um ihre Herden ernähren zu können.“
Er schmunzelte. „Warum sollten Damen sich für Agrarpolitik oder Schafzucht interessieren?“
„Wer, denkst du, kümmert sich um die Felder und Herden, wenn die Männer in den Krieg ziehen?“
Diese Äußerung ernüchterte ihn. „Ja, manchen Frauen wird eine viel zu große Verantwortung aufgebürdet. Aus diesem
Weitere Kostenlose Bücher