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Die schöne Mätresse

Die schöne Mätresse

Titel: Die schöne Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Justiss
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häufiger, trotz des unausgesprochenen Tadels seiner Mutter. Er ging nur noch zu einem gelegentlichen Lunch oder einem politischen Dinner, seinen Club suchte er nicht mehr auf. Welche Unterhaltung konnte ihm irgendein langweiliger Ball bieten verglichen mit den Freuden, die ihn bei Emily erwarteten?
    Emily. Allein der Gedanke an sie hob seine Stimmung.
    Trotz allem ist die gegenwärtige Situation unangemessen, dachte er abschließend, als er vor dem Spiegel auf dem Frisiertisch stehen blieb, um seine Krawatte zu binden. Er benötigte mehr Platz, damit er wenigstens die Kleidung wechseln konnte, ohne sich die Knöchel aufzuschürfen. Doch noch mehr schmerzte es ihn, sie in diesen winzigen Räumlichkeiten über einem Laden wohnen zu sehen – sie, die in ein elegantes Stadthaus mit allem Komfort gehörte.
    Gewiss, womöglich würde sie ihr Geschäft so weit vergrößern, dass sie sich eines Tages selbst solchen Luxus leisten konnte, aber in nächster Zukunft …
    Plötzlich hatte er eine Eingebung, eine so geniale Idee, dass er sekundenlang den komplizierten Faltenwurf der Krawatte vergaß. Nicht einmal seine kluge Emily würde einen Einwand gegen seine Argumente finden! Die Aufregung ließ sein Herz schneller schlagen. Er lachte leise. Es gab mehr als nur einen Weg, um eine Dame zu überzeugen!
    Emily saß an ihrem Arbeitstisch, wie üblich vertieft in einen neuen Entwurf. Unerwartet wurde sie von hinten auf die Füße gezogen, und zwei große Hände legten sich über ihre Augen. Nach einem erschreckten Aufschrei griff sie nach seinen starken Handgelenken. „Evan, hör auf damit! Ich muss noch arbeiten.“
    „Das kann warten, Liebling. Aber die Überraschung, die ich dir zeigen will, kann es nicht. Komm, Francesca wird dich dorthin bringen.“
    „Aber das Geschäft … die Kunden …“
    „Können später wieder kommen. Francesca hat deinen Mantel und Schirm. Ich sehe dich dann gleich.“ Er drehte sie herum und küsste sie verlangend, bevor er sie freigab. „Du kennst den Weg, Francesca?“ fragte er das Dienstmädchen.
    „Aye, Mylord. In einer halben Stunde werden wir da sein.“
    „Gut.“ Er eilte hinaus und strahlte dabei wie ein äußerst selbstzufriedener kleiner Junge.
    Verwirrt folgte Emily Francesca auf die Straße und in die wartende Mietkutsche. Während der Fahrt versuchte sie Francesca auszufragen, doch das Mädchen schüttelte nur lächelnd den Kopf. Ihre dunklen Augen funkelten vor Aufregung.
    Wohin um Himmels willen schickte er sie? Ihre anfängliche Panik schwand bald. Nein, wenn er rücksichtsvoll genug war, ihr eine diskrete Droschke zu bestellen, anstatt sie in seiner Kutsche mit dem Familienwappen mitzunehmen, würde er sie nicht an einem öffentlichen Ort treffen. Und sie hatte ihm deutlich gemacht, dass sie keine kostbaren Geschenke annehmen würde. Was konnte er sonst im Sinn haben?
    Das Gefährt verließ das Geschäftsviertel nahe St. James und fuhr in Richtung Süden. Schließlich blieb die Kutsche in einer ruhigen Straße vor einem hübschen Stadthaus stehen.
    Ein Diener in Livree führte sie die breite Treppe hinauf, während Francesca folgte. Sie betraten die elegante, mit Marmor ausgelegte Eingangshalle. Dort erwartete sie Evan.
    „Still, sag noch nichts.“ Er legte einen Finger auf ihre Lippen. „Ich werde dich herumführen.“
    „Aber ich habe Arbeit und …“
    Er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. „Gedulde dich bitte noch einen Moment. Francesca, in der Küche steht Tee.“
    Mit einem Knicks ging das Dienstmädchen. Evan legte Emilys Hand auf seinen Arm, dann geleitete er sie durch das Haus, von den Empfangsräumen im Erdgeschoss in den ersten Stock, der neben einem großen Salon und einem Speisezimmer über mehrere Schlafzimmer verfügte.
    Es war tatsächlich ein schönes Anwesen. Ein hübsches kleines Liebesnest, in dem ein reicher Mann seine Mätresse unterbringen konnte. Während des Rundgangs wurden Emilys Verlegenheit und ihr Ärger immer größer. Als er sie schließlich in ein geradezu märchenhaftes Schlafgemach führte, konnte sie es nicht mehr ertragen.
    Sie ließ seinen Arm los und trat ans Fenster. Den Tränen nahe, blickte sie auf die Straße hinaus und bemühte sich, ihre Gefühle nicht in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen. „Ich will es nicht, und ich werde es nicht annehmen! Habe ich dir das nicht schon gesagt?“
    „Aber meine Liebe, ich dachte, du würdest dich über die Vergrößerung deines Hutsalons freuen.“
    „Ich werde nicht …“

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