Die Schöne mit dem Flammenhaar
wollte. Seltsam, dass sich hinter Jasims kühlem, ernstem Äußeren so tiefe Empfindungen verbargen! Irgendwann hatte er wohl gelernt, sie zu unterdrücken und sie der Selbstbeherrschung und seinen Pflichten unterzuordnen. Er zeigte selten Gefühle. Eigentlich nur, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Wenn er mit Sami spielte, ging er aus sich heraus.
Es war nicht zu übersehen, wie sehr Jasim seinen Sohn liebte und wie stolz er auf ihn war. Bei Sami entspannte Jasim sich. Wenn er mit dem Kleinen zusammen war, verlor er seine Zurückhaltung. Und Sami vergötterte seinen Vater ebenso. Sobald der Junge ihn sah, stürmte er auf ihn zu. Vater und Sohn miteinander zu erleben bestätigte Elinor eins: Es war richtig gewesen, ihrer Ehe eine zweite Chance zu geben.
Längst hatte Elinor sich eingestehen müssen, dass sie Jasim über alles liebte. Und Jasim bemühte sich nach Kräften, sie glücklich zu machen. Der Mann war es gewöhnt, von vorne bis hinten bedient zu werden. Nun brachte er ihr fast jeden Morgen das Frühstück ans Bett. Und wenn sie gegessen hatte, schlüpfte er oft noch einmal zu ihr unter die Decke.
Ich kann mich wirklich nicht beklagen, dachte Elinor glücklich bei sich und warf ihrem gut aussehenden Mann einen zärtlichen Blick zu.
Obwohl sie die Abgeschiedenheit gesucht hatten, flogen täglich Minister, Hofbeamte und Regierungsbeauftragte ein. Sie hielten Jasim über alle Vorgänge in Quaram auf dem Laufenden. Seine Entscheidungen, sein Rat und sein Urteil wurden hoch geschätzt. Alle im Land waren froh, dass er jetzt eine Frau und einen Sohn hatte.
„Was mögen die Leute nach unserer Märchenhochzeit wohl denken? Immerhin hatten wir schon vorher ein Kind miteinander“, hatte Elinor ihn während der ersten Woche in der Villa gefragt.
„Sie denken, dass wir ohne die Erlaubnis meines Vaters geheiratet und es lange geheim gehalten haben. Und dass der König es nach Murads Tod für richtig hielt, dich der Welt zu präsentieren. Der Ungehorsam meinem Vater gegenüber ist zwar verwerflich. Doch unsere Liebe zueinander, die heimliche Heirat im Ausland und unser Baby haben die Menschen diesen Makel vergessen lassen“, hatte Jasim amüsiert erwidert. „Unsere zweite Hochzeit in Quaram war für alle im Land der Beweis, dass mein Vater dich akzeptiert und mag.“
Seit der Ankunft in der Villa hatten sie oft Ausflüge in die Wüste unternommen. Dabei hatten sie die Gastfreundschaft der einheimischen Stämme genossen. Sie waren stets freundlich in deren Zeltdörfern aufgenommen worden.
Jasim wurde dann über alles unterrichtet und bei Streitigkeiten als Schlichter hinzugezogen. Stundenlang saß er mit den Stammesältesten zusammen und hörte sich geduldig ihre Probleme an – beispielsweise welche Strafe zu zahlen war, wenn eine Ziege den Kräutergarten eines anderen verwüstet hatte. Während der Sitzungen trank Elinor bei den Frauen und Kindern im Zelt starken süßen Tee, während ein batteriebetriebener Fernseher lief. Nach einer Weile war sie sogar zum begeisterten Fan einer einheimischen Fernsehserie geworden.
Eines Abends hatte es geregnet. Am nächsten Tag war Jasim mit ihr in die Wüste hinausgefahren und hatte ihr die erstaunliche Blütenpracht gezeigt, die über Nacht aus dem Boden geschossen war.
Da Elinors zarte Haut die Sonne nicht vertrug, achtete Jasim immer besonders auf sie. Er sorgte dafür, dass sie einen guten Sonnenschutz benutzte und sich möglichst nicht dem starken Licht aussetzte. Bei Jasim fühlte sie sich umsorgt und behütet. Das musste Elinor sich eingestehen, als sie nun in den Stallungen vom Pferd stieg.
„Ich hätte dir schon früher von meiner Mutter erzählen sollen“, gestand er ihr später beim Frühstück. „Es ist besser, du hörst diese Geschichte von mir.“ Jasim wurde ungewöhnlich ernst. „Mein Vater war verwitwet und bereits über fünfzig, als er meiner Mutter begegnete. Sie war die Tochter eines Schweizer Arztes und halb so alt wie er. Er verliebte sich in sie und heiratete sie überstürzt. Zwei Jahre später wurde ich geboren. Da kriselte es bereits in der Beziehung: Sie hasste das eingeengte Leben hier.“
Gespannt blickte Elinor ihn an. „Und dann?“
„Als meine Mutter ihre Familie besuchte, lernte sie einen anderen Mann kennen. Mein Vater erfuhr von der Affäre. Daraufhin floh sie und ließ mich zurück. Sie hat ihren Geliebten geheiratet. Ich habe sie nie mehr wiedergesehen.“
Elinor war entsetzt. „Hast du nie versucht, Kontakt zu ihr
Weitere Kostenlose Bücher