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Die schoene Muenchnerin

Die schoene Muenchnerin

Titel: Die schoene Muenchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaemmerer Harry
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Espresso macchiato, bitte.«
    Sie sahen sich an.
    ›Interessant‹, dachte sie.
    ›Interessant‹, dachte er.
    Der Kaffee kam. Er nahm einen Löffel Zucker und rührte sorgsam. Sie betrachtete seine Hände. Sehr gepflegt. »Und?«, fragte er, »Sie wollten mich sprechen?«
    »Ja. Nun, hm, wo fang ich an?«
    »Am besten von vorne.« Er sah sie vertrauensvoll an. Profiblick.
    Profiblick zurück: »Ich möchte meinen Horizont erweitern – beruflich. Ich bin Chirurgin. Ich hatte irgendwann das Angebot bekommen, eine Vertretung in der Pathologie zu machen. Im Klinikum Rechts der Isar. Der Job gefiel mir. Ich wollte verlängern, doch das hat nicht geklappt. Dann war eine Stelle in der Rechtsmedizin frei. Die hab ich angenommen, eher aus Neugier. Jetzt bin ich noch immer da. Ich habe zwei Assistenzärzte, sechs Hilfskräfte und Laborassistenten.«
    »Das klingt nach einer sehr verantwortungsvollen Tätig­keit.«
    »Ist es auch. Aber sehen Sie, ich bin jetzt sechsunddreißig, ich will noch etwas mehr sehen als nur Leichen in unterschiedlichen Aggregatzuständen. Ich kenn sie alle: aufgeschwemmt, verkohlt, verstümmelt. Ich möchte mich auch mal mit der schönen Seite des Lebens befassen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Nein, nicht ganz.«
    »Wie würden Sie Ihren Job beschreiben? Was ist der Kern Ihrer Arbeit?«
    »Na ja, ich helfe Leuten, vornehmlich Frauen, ihren Wunschvorstellungen näher zu kommen.«
    »Welches Feedback bekommen Sie?«
    »Dankbarkeit. Nichts als Dankbarkeit.«
    Gesine nickte. »Meine Klienten sind tot. Die geben kein Feedback. Meine Arbeit an ihnen ist eine Einbahnstraße, nein, eine Sackgasse. Und ich habe oft junge, schöne Menschen. Und denke dann: all die Schönheit – verschwendet. Niemand kann sich mehr daran erfreuen.«
    Dr. No sah sie ernst an. Er nickte langsam.
    »Können wir offen sprechen?«, fragte Gesine.
    »Nur zu.« Er kratzte den Zucker aus der Tasse und leckte den Löffel genüsslich ab.
    Gesine fuhr fort. »Ich mache meinen Job gerne. Aber ich möchte auch noch eine andere Perspektive als nur Gewalt und Tod. Und ein niedriges Beamtengehalt. Ein Alfa Spider i st in Ordnung, aber nicht ganz das, wovon ich träume.«
    Er sah sie ernst an. Langer Blick. Sie hielt ihm stand. Er studierte ihre Gesichtszüge. Nichts würde er verändern an ihr. Die scharfe Nase, der fordernde Blick – das gefiel ihm sehr gut.
    »Haben Sie verstanden, was ich meine?«, fragte sie.
    »Ich muss darüber nachdenken. Entschuldigen Sie, ich muss jetzt wieder in die Praxis. Aber« – er schob ihr seine Karte hin – »ich werde mir Gedanken machen.«
    INSIDE OSCAR WILDE
    Hummel, Mader und Bajazzo saßen im Foyer de s Faktum Verlags , am Sankt-Anna-Platz im Lehel. Vom Feinsten. Erlesenes Skandinaviendesign. Mader war genervt, dass man sie in der atmosphärisch sehr unterkühlten Eingangshalle mit ihren blauen Eierschalensesseln so lange warten ließ. Die Dame hinter dem langen filigranen Tresen aus meergrünem Fiberglas telefonierte in einer Tour. Gnagnagna. Mader war drauf und dran, aufzustehen und ihr den Hörer wegzunehmen, als sie ein zahniges Lächeln aufsetzte, das das Make-up in ihren Augenwinkeln bröseln ließ.
    »Meine Herren, kommen Sie, Dr. Lerchenthaler hat jetzt Zeit für Sie.« Sie geleitete Mader, Hummel und Bajazzo zum Lift, drückte den Knopf für den fünften Stock und flötete: »Sie werden abgeholt.«
    Oben nahm sie ein schlaksiger Jüngling in Empfang. Er reichte ihnen die schlaffe Hand. »Hubertus Mayerbrink, Assistenz der Geschäftsleitung. Kommen Sie. Wir treffen uns im Oscar Wilde .« Hum mel sah ihn verwirrt an. »Unsere Tagungsräume sind alle nach Schriftstellern benannt: Charles Dickens , Ernest Hemingway , Daphne du Maurier und Billie Holiday .«
    »Aber Billie Holiday …?«, sagte Hummel.
    »Ich dachte, das ist eine Figur aus der Sesamstraße , als ich hier anfing.« Hubertus gluckste und lotste sie ins Oscar Wilde . »Der Herr Doktor wird gleich mit Ihnen sein. Kaffee, Wasser?«
    »Und Kekse«, murmelte Mader und sank auf einen der Desig­ner­stühle an dem langen Konferenztisch.
    Hummel beäugte die vielen Bücherregale. Wenn er erfolgreich war, würden seine Bücher auch in einem Raum wie diesem stehen. Wo man gelegentlich einen seiner Bestseller ehrfurchtsvoll aus dem Regal nahm und sich seine Erfolgsgeschichte noch einmal vor Augen führte. Hummel sah verträumt aus dem Fenster. Direkt auf den Turm der Sankt-Anna-Kirche und die Dächer Münchens. Er war

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