Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
unter sichtlicher Anstrengung sprach, und er musste sich tief über sie beugen, um sie überhaupt zu verstehen.
»Ich hätte noch mehr lieben sollen«, flüsterte sie, als sie zum Ende gekommen war. »Liebe ist das größte aller Geheimnisse. Der Ursprung aller Dinge.«
»Ich denke, Ihr habt es darin schon sehr weit gebracht«, entgegnete er. »Vollkommen ist nur Gott, keiner von uns Menschen.«
Er erteilte ihr die Absolution, spendete die letzte Ölung. Dann holte er Ferdinand und die Söhne wieder herein. Andreas war aus Rom angereist. Unrasiert und noch im Mantel, kniete er neben dem Bett der Mutter.
»Gib auf deinen Zorn acht, Andi«, sagte sie. »Sonst bringt er dich eines Tages zu Fall.«
Er schluchzte laut auf, presste sich die Faust gegen den Mund.
»Und du, Karl, verwechsle mir nicht Tapferkeit mit Tollkühnheit, versprochen?«
Er nickte, unfähig zu sprechen.
»Mariechen?«
»Ich bin hier, Herrin.«
»Du trägst das Leben in dir und weißt, was du tun musst – mein Buch?«
»Wie meinen Augapfel werde ich es hüten, Herrin.« Ihre Stimme zitterte. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen!«
»Ferdinand?«, flüsterte sie.
Er griff nach ihrer Hand.
»Ich wünschte, ich hätte länger bei dir sein können … « Sie versuchte, sich aufzurichten, was misslang. »Verzeih mir alles, das ich dir je angetan habe. Und noch etwas: Heirate sie nicht zu schnell! Wirst du das für mich tun?«
Er wandte sich ab, tränenblind.
»Wo ist mein Rosenkranz?«, sagte Philippine.
Ferdinand kam zurück zum Bett, schlang ihn ihr um die Hände.
»Wie blass du bist«, murmelte sie. »Euer Liebden werden langsam müde – und ich bin es auch. Müde. Unendlich müde.«
»Dann ruh dich aus, mein Herz«, sagte Ferdinand. »Jetzt kannst du dich doch ausruhen!«
Rastlos fuhren Philippines Finger auf der Bettdecke umher. Die Perlen des Rosenkranzes klackerten leise.
»In mir wird es auf einmal so kalt – sagt man nicht, Eisenhut sei die Königin aller Gifte?«
»Was redest du da, Liebes?« Ferdinand streichelte ihr Haar, die Wangen, die Hände. »Du solltest dich nicht so aufregen!«
»Alles zusammen.« Sie schien ihn gar nicht mehr zu hören. »Alles kreist in meinen Adern, Heilsames, Bitteres, Tödliches – doch jetzt bin ich ja endlich bald bei euch … «
Ihre Augen gingen weit auf.
»Ich sehe etwas, das mich freut.« Der Kopf sank zur Seite.
Philippine atmete nicht mehr.
HISTORISCHES NACHWORT
Fakten und Daten
»Geschichte ist die Lüge, auf die wir uns geeinigt haben.« Dieser Satz von Voltaire, fälschlicherweise Napoleon Bonaparte zugeschrieben, trifft wie kein anderer auf das Leben von Philippine Welser zu. Wie die Grafik der Hochrenaissance ihre Bildnisse mit Säulen und Blumengewinden einzufassen liebte, so hat auch die Legende das Lebensbild der schönen Augsburger Kaufmannstochter, die sich von einem Kaisersohn heimführen ließ, mit tausend anekdotischen Einzelzügen umrahmt, die den historischen Verlauf der Ereignisse zu verdunkeln drohen. Kratzt man jedoch am dicken Zuckerguss der Jahrhunderte, der sich über diese Mesalliance gelegt hat, so schält sich das Porträt einer ungewöhnlichen Frau heraus, die mutig Standesgrenzen überschritten, bis zum Lebensende an ihrer Liebe zu Erzherzog Ferdinand festgehalten, für die Zukunft ihrer Söhne gekämpft hat – und am Ende doch machtlos gegen das Gift war, das nach und nach in sie eingesickert ist.
Mein Roman spielt im 16. Jahrhundert, wo Glaubensspaltung und die Herausbildung der großen europäischen Nationen wichtige Themen sind. Die Reformation hat die starre Gesellschaft des Spätmittelalters mit ihrem Herrscherbild erschüttert, doch der moderne Staat der Neuzeit ist erst nach und nach im Entstehen. Die Menschen jener Epoche waren einerseits im Alten verhaftet, andererseits mit vielen neuen Erkenntnissen konfrontiert.
Am Schicksal der Bürgerstochter Philippine, die sich mit dem Spiel der Mächtigen einlässt, indem sie sich in einen Kaisersohn verliebt, wird dies in besonders eindrucksvoller Weise klar. Viele sahen in ihr eine ›Hexe‹, die ihn mit magischen Kräften an sich gebunden hat. Heute erkennen wir in ihr eher die Forscherin, die sich für Botanik und Medizin interessierte und allem Neuen aufgeschlossen war.
Philippine Welser war bereits 29, als sie 1556 Erzherzog Ferdinand begegnete. Mutmaßungen, er habe sie bereits Jahre zuvor in Augsburg ›erblickt‹, gehören in die Mottenkiste romantischer
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