Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
vorüber, lange schon.
Immerhin war er ein ausdauernder Reiter und wusste das Schwert geschickt zu führen, das ließ für seine Zukunft hoffen.
Mit Maximilian war noch immer nicht besonders gut Kirschen essen. Bei den spanischen Habsburgern dagegen hatten sie bereits in aller Höflichkeit angefragt. Es gab berechtigte Aussichten, dass Karl dort schon sehr bald in Kriegsdienste treten konnte, jetzt, wo er als ehelich geboren galt.
Und Andreas?
In Rom hatte er sein Geld blitzschnell verprasst, binnen weniger Monate mehr als 20000 Gulden. Ferdinand schickte Nachschub, doch es dauerte nicht lange, bis der nächste Bote mit neuen Forderungen in Innsbruck erschien. Andreas’ Ruf war äußerst zweifelhaft. Anstatt sich zur Messe in Kirchen sehen zu lassen, verkehrte er lieber in Spelunken und Hurenhäusern. Wie lange er sich in der Ewigen Stadt halten konnte, war mehr als ungewiss. Wenn sie Glück hatten, würde rechtzeitig irgendwo ein Bischofssitz vakant, den man ihm zusprechen würde.
Inzwischen schmerzte auch ihr Hals, und die Ohren begannen zu pochen. Wenn sie noch länger im Freien ausharrte, würde sie Gefahr laufen, sich eine schlimme Verkühlung zuzuziehen.
Außerdem drängte es sie mit aller Macht zurück, weil Katharina alles andere als gesund war. Gerade in den vergangenen letzten Tagen war sie ihr so mager und bleich erschienen, dass Philippine die Ärzte nicht mehr von ihrer Seite weichen ließ.
Sie erhob sich, unauffällig, wie sie hoffte. Doch Ferdinand in seinem Wagen entging ihr Aufbruch nicht.
Fragend zog er die Brauen hoch.
Sie formte Daumen und Zeigefinger zu einem O – ihr geheimes Zeichen für Ambras, das niemand außer ihnen beiden kannte.
Dann stieg sie von der Tribüne herunter und ließ sich zu ihrem Schlitten führen. Die anschließende Fahrt durch die winterliche Stadt erlebte sie wie einen Traum, so weiß und still war die Welt.
Es begann bereits zu dämmern, als sie das Schloss erreichte.
Man half ihr aus dem Schlitten, Mariechen empfing sie am Fuß der Treppe, die hinauf zu ihren Gemächern führte. Trotz der Kälte draußen war alles hier drinnen wohlig temperiert.
Selten zuvor hatte es sich besser angefühlt, die Herrin von Ambras zu sein.
»Was ziehst du denn für ein Gesicht?«, sagte sie. »Ist etwas mit Frau von Loxan? Oder mit deinem Kind?«
Mariechens Hand fuhr zu der kleinen Kugel, die sich unter ihrem Herzen wölbte. Seit vergangenem Sommer war sie Andrins Frau. Er hatte lange genug gewartet. Bald schon würden sie zu dritt sein.
»Eurer Tante geht es gottlob nicht schlechter, Herrin«, sagte sie. »Und dem Kleinen erst recht nicht. Ist es richtig, dass sie schon so bald zu boxen beginnen? Wenn ja, dann muss er sich allerbester Gesundheit erfreuen!«
»Was ist es dann?«, drängte Philippine. »Rede!«
»Sie wollte unbedingt zu Euch«, sagte Mariechen entschuldigend. »Ich konnte sie nicht aufhalten – bitte glaubt mir!«
Auf der untersten Stufe stand Eva, struppig, mager, ungekämmt. Der Lodenumhang rutschte von ihren knochigen Schultern. Der Saum war schmutzig und zerfetzt.
Wann mochte sie die letzte warme Mahlzeit zu sich genommen haben?
Wie ein Straßenköter sah sie aus – und vielleicht war sie ja auch in Wirklichkeit niemals etwas anderes gewesen.
»Ich muss dich sprechen, Pippa«, sagte sie. Die dunklen Augen flackerten. »Dringend! Es geht um Leben und Tod.«
*
Schloss Ambras, 12. April 1580
Der Tod ist in unseren Mauern. Manchmal spüre ich ihn als kühlen Hauch, manchmal als eiskalten Wind, der durch die Räume fegt.
Tante Kat hat er mir heute genommen, meine liebe, liebe Tante Kat, der ich doch alles verdanke.
Den ganzen Winter schon ist sie matt gewesen, ständig erkältet, appetitlos. Bleich wie ein frisch gewaschenes Laken.
Ich befrage das Arzneibüchlein, wühle vergeblich in alten Schriften, treibe Doktor Handsch mit meinen unendlichen Fragen beinahe zur Weißglut. Aber auch die anderen Gelehrten, die ich in meiner Not heranziehe, haben keine Lösung zur Hand, die mir gefällt.
Die Krankheit heißt Alter, sagt Ferdinand. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Du musst dich fügen, meine Pippa. Auch du!
Stundenlang sitze ich bei ihr, lasse sie reden, wenn sie die Kraft dazu hat. Manchmal scheint sie mir schon wie in einer anderen Welt, ruft nach Anna, ihrer Schwester, ihrem verstorbenen Mann. Meinen Zwillingen.
Kann sie sie sehen?
Ab und an ist ihr Gesicht so glatt, so heiter, so gelöst, dass ich beinahe daran glauben
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