Die schöne Rivalin
mehr im Hause war. Bis vor einer Stunde hatte er sich noch bei Bruckmanns aufgehalten. Wie anders wäre vielleicht alles gekommen, hätte er die Suche nach den Ferienfotos miterlebt. Bestimmt würde er sich daran erinnert haben, daß bei ihm im kleinen Labor noch vier Negative von Sonja lagen. Fotos, die er für eine Ausstellung vergrößern wollte. Unter ihnen befand sich dasjenige Bild, von dem keiner hier wußte, welche Bedeutung es hatte.
An diesem Tag gab es noch einmal Kontakt zwischen Kommissar Bouchard in Cannes und seinem Hamburger Kollegen. Bouchard meldete sich am Telefon und nahm all seine Deutschkenntnisse zusammen, als er fragte, ob sich das Foto mit dem Schiff am Strand und den zwei Personen im Vordergrund angefunden habe.
»Tut mir leid«, antwortete der Hamburger Kriminalobermeister Maschner, »weder unter den Negativen noch unter den Abzügen, die wir in der Wohnung Bruckmann finden konnten, befindet sich das gesuchte Motiv. Allerdings …«
»Ja?« fragte Kommissar Bouchard am anderen Ende der Leitung gespannt. »Was Sie noch wollten sagen an mir?«
»Nun ja, uns ist aufgefallen, daß von einigen Ferienfotos zwar Abzüge da sind, aber keine Negative. Das trifft auf mindestens drei Bilder zu. Möglicherweise hat Sonja Bruckmann diese Negative zu einem Fotografen gebracht – denn daß sie in der kurzen Zeit verloren gegangen sein könnten, ist ja kaum anzunehmen. Warum interessieren Sie sich eigentlich für das Foto?«
»Weil es ischt wischtig für eine Fall, den ich arbeite hier in Cannes und für ganz Frankreisch. Wir könnten denken, daß Mademoiselle Sonja Bruckmann ist ohne ihre Schuld verwickelt damit. Sehr wahrscheinlich für mir und ich Ihnen sagen als Tip, daß Mademoiselle wurde entführt und wohl auf den Weg nach Cannes. Ich passen auf und mag Ihnen Mitteilung machen, sobald ganze Angelegenheit sisch hat mehr entwickelt. Bonjour Monsieur Commissaire!«
»Hallo! Hallo! … Hören Sie, Herr Kollege …?« Kriminalobermeister Maschner schüttelte den Telefonhörer, aber es war keine Störung, sondern Bouchard hatte aufgelegt. »Verstehen Sie das?« fragte er seine Mitarbeiter. »Der Franzose sagt mir, die Bruckmann sei in irgendwas verwickelt und entführt worden und befinde sich vermutlich auf dem Weg nach Cannes, und das Ganze soll mit dem Foto zusammenhängen, das er sucht. Aber absolut sicher schien er nicht zu sein. Auf jeden Fall hätte er das ruhig ausführlicher darstellen können. Wir sitzen hier wie Clowns im Dunkeln und haben keinerlei Anhaltspunkt, um etwas zu unternehmen. Sieht so vielleicht europäische Zusammenarbeit aus? Was halten Sie davon, meine Herren?«
Die anderen Beamten hoben die Schultern. Was sollten sie darauf antworten? So undurchsichtig das Verschwinden dieser Sonja Bruckmann vorerst wirkte, konnte es noch immer sein, daß es sich letzten Endes als harmlos herausstellte. Und was die Information aus Frankreich betraf, so schien sie doch recht fantastisch. Am besten war es, weiterhin abzuwarten.
Kommissar Jean Bouchard in Cannes aber hatte endlich seine lang gesuchte heiße Spur. Seine Vermutung, daß das verschwundene Foto und die Mademoiselle Bruckmann in Hamburg mit Roger Corbet und dem Rauschgiftsyndikat zusammenhingen, verdichtete sich immer mehr zur Gewißheit. Er sorgte dafür, daß alle Zufahrtsstraßen nach Cannes von der motorisierten Gendarmerie überwacht wurden. Unkontrolliert kam niemand mehr in diese Gegend. Und er selbst erschien in der weißen Felsenvilla von Roger Corbet und setzte auf Schocktherapie. Er behauptete einfach: »Jetzt habe ich Sie, mein werter Roger. Jetzt habe ich Sie!«
Corbet ging zu seiner Hausbar und goß sich und Bouchard je einen doppelten Cognac ein. Er benutzte dazu zwei riesige Gläser, in denen das altehrwürdige Destillat trotz der Menge wie verloren wirkte. Sein ungebetener Gast dankte mit einem Kopfnicken, schwenkte den Cognac in dem riesigen Glas, roch daran, brummte anerkennend und nahm einen gut dosierten Schluck.
»Warum lesen Sie so viel James Bond, Kommissar?« fragte Corbet. Noch sah er keinen Anlaß, sich ernsthaft beunruhigt zu fühlen. »Im wirklichen Leben ist das anders.«
»Man muß es individuell sehen«, erwiderte Bouchard. »Es sind ja die Gangster, die sich heutzutage so benehmen wie Filmhelden. Was bleibt da einem kleinen Kriminalbeamten anderes übrig, als mitzuziehen?« Er lehnte sich in dem tiefen Sessel zurück und holte eine Zigarre aus der Brusttasche. Vom Meer her brummte ein
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