Die schöne Schwindlerin
ertappte sich dabei, wie er sich wünschte, Kurt nicht schon vor der Besprechung erlaubt zu haben, ihn ständig zu Boden gehen zu lassen. Auf einem Stuhl zu sitzen, tat seinen malträtierten Muskeln gar nicht gut, und er war sich darüber im Klaren, dass sein Körpergeruch nicht der frischeste war.
James zwang sich, nicht länger die leeren Stühle anzusehen, die ohne ihn besetzt wären.
Mein Leben für das eure.
Das Versprechen war nicht viel wert, aber mehr hatte er als Wiedergutmachung nicht zu bieten. Sein Leben für den Liar’s Club.
Falls der Club das Jahr überstand.
Das Lumpenpack, das den Raum zur Hälfte füllte, entstammte dem alten Club. Es waren handverlesene Männer, manche von Simon Raines ausgesucht, manche sogar noch von seinem Vorgänger.
Männer, die dem neuen Spionagechef ihre Loyalität erst noch erweisen mussten.
James sah Dalton zu, wie er das Treffen leitete – sah, wie der kultivierte Lord Etheridge den Männern ihre widerwilligen Antworten und Vorschläge förmlich aus der Nase ziehen musste.
»Es gibt, wie unsere Informanten berichten, seitens der Franzosen wachsende Rekrutierungsbemühungen unter den Kaufleuten und Fabrikanten. Manche werden mit finanziellen Versprechungen angelockt, manche von der imperialistischen französischen Propaganda.«
»Wie? Da soll so’n armer Stoffhändler sein Land verkaufen, weil er’s so gut haben will wie die Fatzkes? Kann ich mir nich vorstellen.« Der trockene Kommentar kam von hinten und war vermutlich nicht für Daltons Ohren bestimmt. Das hoffte James jedenfalls.
Doch Daltons Blick richtete sich sofort auf den Sprecher. »Unzufriedenheit mit der eigenen Situation, wie berechtigt sie auch sein mag, entschuldigt keinen Hochverrat. Meinen Sie nicht auch, Mr Rigg?« Seine Stimme war kühl, nicht im Mindesten lauter als zuvor, aber James verspürte den lächerlichen Drang, sich aus der Schusslinie zu ducken.
Rigg polterte umständlich eine Art Zustimmung, und James entspannte sich etwas. Offener Widerspruch und Gehorsamsverweigerung schienen heute zum Glück nicht auf der Tagesordnung zu stehen. Dennoch ließ sich dieses steife, unproduktive Treffen nicht mit der Kameradschaftlichkeit und dem Teamwork von früher vergleichen.
Er wollte aufspringen und sie alle anschreien, diese Männer, mit denen er jahrelang zusammengearbeitet hatte, die nach ihm gesucht hatten, als man ihn gefangen genommen hatte, die ihn ohne ein Wort wieder aufgenommen hatten, obwohl seine Enthüllungen in der Gefangenschaft einige von ihnen das Leben gekostet hatte…
Er sagte kein Wort. Es war nicht an ihm, sie zum Zuhören zu bringen. Nicht an ihm, ihre Loyalität zu erzwingen, wenn seine eigene an einem zerschlissenen Faden zu hängen schien.
Dalton musste die Herzen dieser Männer mit seinen eigenen Mitteln gewinnen. James sah sich im Zimmer um, von einem widerspenstigen Gesicht zum nächsten.
Gott helfe ihm.
Das Treffen war schon eine Verbesserung, sagte sich Dalton, während die Männer den Raum verließen. Es hatte zwischen den gegnerischen Fraktionen kein Blutvergießen gegeben. Außerdem war kein einziges Möbelstück zu Bruch gegangen. Zumindest keines, das sich mit ein wenig Kleber nicht reparieren ließ.
Alles in allem ein weiterer nutzloser Versuch, die Liars zusammenzubringen.
Geduld.
Unglücklicherweise würde Napoleon nicht warten, bis Dalton die Gehorsamsverweigerung und die Rivalitäten zwischen den einzelnen Splittergruppen im Griff hatte.
Dalton zog seine geckenhaften Kleider zurecht und setzte den federbesetzten Hut auf. Es war Zeit, den Club zu verlassen und der Außenwelt den schmierigen Sir Thorogood vorzuführen.
Dalton ging hinaus und tippte sich an den Hut, als er Stubbs passierte, der die Tür bewachte und unruhig darauf wartete, dass er seine Ausbildung zum Saboteur bei James Cunnington beginnen konnte. Unglücklicherweise waren die Liars drastisch unterbesetzt, solange sich Griffin nicht erholt hatte.
Sobald Dalton seine Stellung bei den Männern gefestigt hatte, müsste er sich ernsthaft um die Rekrutierung kümmern. Agatha drängte darauf, Frauen anzuwerben. Auch wenn Dalton nicht abgeneigt war, hatte er doch nicht die leiseste Ahnung, wo er anfangen sollte. Wenn er schon für sich selbst keine passende Frau fand, wie sollte er dann erst Frauen für die Agentenausbildung finden?
Simon war auf Agatha gestoßen, als er nach ihrem Bruder gesucht hatte.
Und Simon hatte für Agatha alles aufgegeben. Dalton konnte sich nicht
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