Die schöne Spionin
Geschwindigkeit einer Pistolenkugel war Simon durchs Zimmer und an Etheridges Hals. Seine Stimme zischte mörderisch: »Lord oder nicht, ich reiße Ihnen Ihre faulige Zunge aus dem Kopf, wenn Sie sie je wieder so herabsetzen.«
Etheridge brachte ein Nicken zu Wege und hob beide Hände, um seine Zustimmung anzuzeigen. Als Simon ihn losließ, rieb er sich stumm den Hals.
»Sie haben meine Frage beantwortet. Ich wollte von Ihren wahren Gefühlen für die Dame erfahren, ich denke, die haben Sie deutlich zum Ausdruck gebracht.«
»Durchtriebener Bastard«, murmelte Simon.
»Sind wir das nicht alle?«
Zur Hölle, er hatte Recht.
Kapitel 20
Die Uhr schlug neun. Die Dienstboten räumten Agathas einsamen Frühstückstisch ab. Ihre rastlosen Überlegungen hatten sie bis spät in die Nacht wach gehalten, so dass sie Simon heute Morgen versäumt hatte, und Jamie hatte sie nicht aufwecken wollen, nur damit er ihr Gesellschaft leistete.
»Was soll die Köchin den Gästen heute servieren, Madam?« Pearson stand vor ihr.
Oh, verdammt. Sie hatte den nächsten Tag voller Kondolenzbesuche zu bestehen. Agatha überlegte, ob sie Krankheit vorschützen sollte.
»Das übliche, Pearson. Sie scheinen es zu mögen.« Sie seufzte. »Aber vielleicht sollten wir etwas weniger Appetitanregendes auftischen. Schlange mit Schokoladenglasur, vielleicht?«
»Fragen Sie mich nach meiner Meinung, Madam?«
»Gütiger Himmel, nein, Pearson. Ich kann das Missfallen ja schon förmlich aus Ihrer Stimme triefen hören.«
»In der Tat, Madam.«
Agatha machte die Augen zu. »Können Sie das nicht für einen Tag aufhören lassen, Pearson. Ich muss einfach wieder zum Durchatmen kommen.«
»Gewiss, Madam. Ich sage Gott Bescheid.«
Agatha riss die Augen auf, aber Pearson war fort. Sollte das ein Scherz gewesen sein? Von
Pearson
?
»Gütiger Himmel, ich glaube, jetzt geht die Welt unter«, murmelte sie.
»Das wäre schade, denn ich wollte dich auf ein Eis einladen.« Simon schlenderte lässig ins Frühstückszimmer und brachte frische Frühlingsluft von draußen mit.
Plötzlich war der Tag heller, voller Licht und Lebensfreude. Sie hatte ihn vermisst, Närrin, die sie war. Sie hätte es darauf anlegen sollen, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, aber für den Augenblick war sie einfach nur zufrieden, mit dem Mann, den sie liebte, in einem Raum zu sein.
Sie lächelte sehnsüchtig. »Ausgehen? Das kann ich nicht, ich habe Gäste zu empfangen.«
»Erst recht ein Grund, auszugehen, wenn du mich fragst. Es ist ein wunderbarer Tag. Die Sonne scheint, und der Himmel ist klar. Ich sage, wir gehen hinaus.«
Agatha sprang auf. »Ich bin in zwei Minuten fertig.« Sie ging hinaus und steckte den Kopf noch einmal durch die Tür. »Habe ich dir je gesagt, wie sehr ich Himbeeren liebe?«
Simon hatte früher nie einen Drang nach Eis mit Himbeergeschmack verspürt, aber plötzlich war ihm, als müsse er auf der Stelle vergehen, wenn er nicht sofort eines bekam.
Das konnte natürlich auch daran liegen, dass besagter Tropfen just in diesem Moment über Agathas Kinn lief und auf ihren Busen zu fallen drohte.
Simon entschied hier und jetzt, dass er, sollte der Tropfen fallen, Vorsicht und Karriere in den Wind schlagen und ihm folgen würde.
Wüste Visionen setzten ihm zu, Agathas prachtvoller nackter Busen, mit süßem rosaroten Sirup beschmiert. Simon umklammerte mit festem Griff die Tischkante. Seine Hosen standen kurz davor, zu platzen, und wenn er sich nicht täuschte, hatte er zu keuchen angefangen.
Zum Glück für alle Beteiligten wischte Agatha den Tropfen geistesabwesend mit einem Taschentuch ab, während ihre ganze Aufmerksamkeit dem Eis galt.
Am Zipfel eines Taschentuchs zu hängen, war für die Karriere eines Mannes durchaus schrecklich. Simon musste ernsthaft darüber nachdenken.
Später.
Im Moment konnte er nichts anderes tun, als Agatha einigermaßen vernünftig zu antworten, während er ihr dabei zusah, wie sie mit sinnlichem Vergnügen diese gefrorene Mischung aus Zucker, Eis und Himbeersaft leckte. Ihre Zunge wirbelte um ein Häufchen aus abgeschabtem Eis in einem Pappbehälter, bis sie es schließlich zwischen die rosa gefärbten Lippen sog und den zuckrigen Geschmack genoss.
Gott helfe ihm, denn er musste ganz sicher sterben. Er war mit einmal dankbar, sich für den entlegenen Tisch entschieden zu haben, wo Agatha den schweren Witwenschleier zurückwerfen konnte. Und hier bemerkte vielleicht auch keiner, wie seine Hose spannte.
»Woran
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