Die schöne Spionin
den letzten Schluck seines Brandys nahm, geriet die Hand nicht ins Wanken.
Er stellte das Glas achtlos und klirrend auf den Tisch. Simon zuckte zusammen, obwohl er sich mehr um sich selbst als um das unbezahlbare Glas hätte sorgen sollen.
Doch der Dieb in ihm konnte nicht anders und kalkulierte den Wiederverkaufswert dessen, was sich hier im Raum befand. Verglichen mit Dalton war selbst James ein armseliger Schlucker. Wo kam all das Geld her? Hochverrat konnte ein lukratives Geschäft sein, wenn man es ordentlich betrieb.
»Bitte, trinken Sie aus, damit wir unsere Besprechung beginnen können.« Dalton wedelte aufmunternd mit der Pistole.
Simon zuckte die Achseln, schüttete den Brandy hinunter und hielt kurz inne, bevor er mit Bedauern die letzten Tropfen die Kehle hinablaufen ließ. Nun denn, wenn er schon sterben musste, dann ließ Etheridge ihn zumindest stilvoll gehen.
Etheridge zog eine Augenbraue hoch. »Fertig? Nun warum beginnen Sie Ihre Erläuterungen nicht mit der Frage, warum Sie mitten in der Nacht durch das Fenster meines Arbeitszimmers gestiegen kommen?«
»Ich wäre ein Dummkopf gewesen, es mitten am Tag zu tun.«
»Sie sind ein Dummkopf, es überhaupt getan zu haben, Mr Rain.«
»Rain? Wer soll das sein?«
»Sie sind das und manchmal Mortimer und/oder Ethelbert Applequist. Und lassen Sie uns Simon Montague Raines nicht vergessen, den Eigentümer eines kleinen Etablissements namens The Liar’s Club.«
Simon reagierte zwar nicht sichtlich, aber er war fassungslos, dass seine Tarnung so ohne weiteres aufgeflogen war. Soweit er wusste, hatte Etheridge ihn heute zum ersten Mal gesehen. Wie hatte er sich so schnell durch sämtliche Schichten seiner Maske arbeiten können?
»Was wissen Sie vom Liar’s Club?«
»Ich weiß alles über den Liar’s Club, Mr Rain. Ich bin einer der Männer, die zusammen mit dem Premierminister darüber entscheiden, welchen Gebrauch wir von dieser Bande aus Außenseitern in Diensten Seiner Majestät machen.«
Simons Unterkiefer klappte auf. »Sie sind die Cobra.«
Jetzt war es an Dalton, erstaunt zu sein. »Ihre Intuition spricht wirklich sehr für Sie, Simon. Es freut mich, dass Sie bei alledem doch ein wahrer Geheimdienstmann sind. Wie haben Sie das herausbekommen. Noch nicht einmal ich kenne die Identität der anderen drei.«
Simon schüttelte den Kopf. »Ich habe vollständige Dossiers über die Royal Four und zwar seit Jahren. Ich weiß, was sie essen und trinken und nach wem sie im Schlaf rufen. Als Spencer Perceval Anfang des Jahres ermordet wurde und Lord Liverpool an seiner Stelle zum Premierminister berufen wurde, wusste ich, dass sie jemanden suchen würden, um Liverpool irgendwann zu ersetzen.«
»Dann ist ihren Informanten ein Lapsus unterlaufen, denn ich bin schon in Amt und Würden, seit Perceval den letzten Atemzug getan hat.«
Es war wieder diese verfluchte Personalknappheit, die ihm einen Streich gespielt hatte. »Dann liegt der Fehler bei mir, Mylord. Die Liars sind auf ihren Spezialgebieten unübertroffen.«
»Ich bin nicht ganz sicher, ob die Liars nicht einfach nur das sind, was der Name impliziert. Lord Liverpool ist sich nicht sicher, dass Sie die Freiheiten, die man Ihrem Vorgänger eingeräumt hat, gleichfalls verdienen, und ich muss Ihnen nicht erklären, dass die Zustimmung des Premierministers erforderlich ist, Ihre Organisation am Leben zu erhalten. Sie haben Monate gebraucht, die undichte Stelle zu finden und haben dabei mehrere Männer verloren, nur damit der Mann am Ende direkt vor ihrer eigenen Tür erscheint.«
Dalton zog die Augen zusammen. »Worauf Sie versäumt haben, von seiner Ergreifung zu berichten und den Mann auf bloßes Ehrenwort unter Hausarrest gestellt haben.«
Simon nickte. »Das erklärt die Pistole. Sie glauben, ich sei übergelaufen.«
»Sir, ich vertraue niemandem, mit Ausnahme von Lord Liverpool vielleicht. Nicht einmal den anderen Dreien. Sie könnten genauso gut ein von offizieller Seite gedungener Attentäter sein.«
Simon grinste. »Was? Der mächtige Lord Etheridge fürchtet von seinen eigenen Genossen ermordet zu werden? Sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist.«
»In den Händen der falschen Männer kann Macht eine recht hässliche Sache sein. Ich bin Seiner Majestät und dem Prinzregenten gegenüber loyal. Ich arbeite für England, nicht für meine persönliche Bereicherung. Das ist für manchen schwer zu verstehen.«
»Wie es scheint, stehen wir auf der selben Seite.« Simon breitete die
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