Die schöne Teufelin
Platz. Für zwei war es wirklich eng.
Hinter ihr bewegte sich Mr Damont voller Unbehagen. »Sind Sie sich sicher, dass es schicklich ist, dass wir beide hier zusammen hocken?«, flüsterte er.
Sie sah ihn schräg von der Seite an. »Besorgt um Ihren Ruf, Mr Damont?«
»Sie sind es, die sich Sorgen machen sollte, Mylady.«
»Ihretwegen? Wohl kaum!« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit
wieder dem Schlitz in dem Stoff zu, durch den sie die Bibliothek sehr deutlich sehen konnte. Onkel Harold wartete mit jemandem auf dem Flur. Sie konnte ihre Stimmen hören, aber nicht verstehen, worüber sie sprachen.
Ethan war merkwürdig betroffen. »Was wollen Sie damit andeuten?«
»Hm?« Die andere Stimme klang nicht wie die eines der jungen Männer, die zum Abendessen geladen gewesen waren. Mit wem sprach Onkel Harold?
Er tippte ihr auf die Schulter. Sie schaute wieder nach hinten. »Was meinen Sie mit ›Wohl kaum‹?«, beharrte er.
Jane seufzte resigniert auf, dann verdrehte sie sacht ihren ganzen Körper, um ihm geradewegs ins Gesicht zu sehen. »Ich meine damit gar nichts, außer dass meine Tugend bei Ihnen in den besten Händen ist«, versicherte sie ihm flüsternd.
»Das ist sie nicht!«, brach es laut aus ihm heraus. »Nehmen Sie das sofort zurück!«
Sie war so überrascht, dass sie lachen musste. Sie fühlte, wie er vor verletztem Stolz erstarrte. Oje, Mr Damont war eingeschnappt. Jane schnaubte leise.
»Das habe ich gehört«, zischte er. »Und jetzt nehmen Sie zurück, was Sie gesagt haben.«
»Also gut«, knurrte sie. »Ich nehme es zurück. Ich lebe in Angst, dass ich von Ihrer Männlichkeit überwältigt werde«, jammerte sie pflichtgemäß. »Ich bitte Sie inständig: Beherrschen Sie Ihr unbändiges Verlangen.«
Er grummelte: »Snob!«
»Lüstling«, entgegnete sie. »Ist’s so besser?«
»Warten Sie nur ab, Lady«, knurrte er. »Eines Tages sind Sie und ich zusammen allein in einem dunklen Zimmer -«
»So wie jetzt?«
Er gab einen Ton von sich wie ein frustrierter Bär. Jane unterdrückte ein erneutes Kichern. »Also wirklich, Männer können solche -«
Er neigte den Kopf und küsste sie. Es war ein eiliger Kuss, und seine Lippen verweilten nur kurz auf den ihren, bevor sie sich von ihnen lösten. Und doch jagte er einen Schauer aus Feuer und Furcht durch ihren Körper.
»Was?«, wisperte er an ihren Lippen. »Was können Männer sein?«
Jane drehte sich um, wandte sich wieder ihrer Wache an dem Schlitz zu und zog die Schultern hoch. Mr Damont sagte nichts mehr, aber Jane spürte seinen warmen Atem über die Locken in ihrem Nacken streichen. Sie presste die Lippen fest zusammen, versuchte, die schwelende Erinnerung an seinen Mund zu tilgen. Es half nichts. Irgendetwas war in ihr erwacht, eine bislang unbekannte Hitze breitete sich in ihrem Innern aus, von der sie nicht wusste, wie sie ihr begegnen sollte.
Die Dunkelheit war nicht länger ihre Verbündete. Seine Anwesenheit hinter ihr war nicht länger die eines Komplizen in der Not.
Jetzt war er ein Mann, und Jane hatte sich noch nie in ihrem Leben mehr wie eine Frau gefühlt als in diesem Moment.
Endlich öffnete sich die Tür zur Bibliothek. Der Butler trat mit ein paar Kerzen in der Hand ein, hinter ihm folgten Onkel Harold und ein zweiter, kleinerer Mann. »Ich habe die Informationen, Mylord«, sagte der andere Mann mit dem Rücken zu Jane.
»Gut, gut«, antwortete Lord Maywell mit wenig Interesse.
»Ich schau es mir später an.« Er setzte sich vor den Kamin. Der andere Mann blieb stehen, da ihm kein Platz angeboten worden war.
Jane ließ sich auf die Fersen sinken. Offenbar war der andere Mann nur irgendein Bediensteter. Wieder öffnete sich die Tür, und der Butler kehrte mit einer Kanne Kaffee zurück.
»Mr Damont ist nirgendwo zu finden, Mylord, aber sein Hut und sein Spazierstock sind noch da«, unterrichtete ihn der Butler.
Jane wandte sich um und warf Mr Damont einen ungläubigen Blick zu. Spazierstock?, fragten ihre Lippen lautlos. Er zog eine Grimasse. Offenbar wollte er sich in dieser Hinsicht nicht kritisieren lassen. Sie grinste. Dandy!, warf sie ihm still vor.
»Er ist ein aalglatter Bursche«, sagte Onkel Harold zu niemand Bestimmtem. Der Besucher nickte höflich. Mit einer Handbewegung lehnte Onkel Harold den Kaffee ab. »Wenn Damont nicht kommt, werde ich auch gehen.« Er erhob sich schwerfällig. Der kleinere Mann tat nichts, um ihm zu helfen, was Jane überraschte. Ein Diener hätte so etwas getan. Vielleicht war der
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