Die schöne Teufelin
angesammelten Kram vermachen, wem er will.« Er holte tief Luft. »Ich versichere Ihnen, dass eine Ratte auf dem Speicher größere Chancen hatte, etwas zu erben, als ich. Und hätte es wahrscheinlich auch eher verdient.«
Jane runzelte die Stirn. »Aber wollten Sie denn wirklich die Fabrik übernehmen?«
Beim Ton ihrer Stimme musste er müde lächeln. »Wieso fragen Sie? Können Sie sich mich nicht als Geschäftsmann vorstellen? Sehen Sie mich nicht förmlich vor sich, wie ich mit Ärmelhaltern an den Hemdsärmeln über meinen Büchern sitze, während sich meine armen Angestellten zu Tode schuften?« Er schüttelte den Kopf und lachte trocken. »Nein, das kann selbst ich mir nicht vorstellen.«
Jane atmete ein. »Haben Sie vielen Dank, dass Sie mir das alles erzählen, Mr Damont. Ich hätte nicht fragen dürfen.«
Er schüttelte den Kopf. »Meine liebe Lady Jane, bitte lassen
Sie mir wenigstens das – Sie haben nicht davon angefangen, sondern ich.«
Sie schürzte die Lippen. »Das stimmt. Warum meinten Sie, dass mich das etwas angehen könnte?«
»Sie sind auf der Jagd nach einem reichen Ehemann, oder nicht?«
Jagd? Jane blinzelte, erholte sich jedoch rasch. Schließlich war das der Grund, den sie für ihre Anwesenheit im Hause ihres Onkels angegeben hatte. »Ja, wahrscheinlich bin ich auf der Jagd nach einem reichen, adligen Ehemann, wenn Sie es genau wissen wollen.« Sie reckte das Kinn. »Beabsichtigen Sie, sich mit diesem Bekenntnis zur Armut selbst aus dem Rennen zu nehmen?«
»Ich will Sie nur davor warnen, sich zu sehr an mich zu hängen.« Seine Augen lagen im Dunkeln. Sie konnte nicht sehen, ob er sie necken wollte. Gemessen am Tonfall seiner Stimme musste sie annehmen, dass er es durchaus ernst meinte.
Die Überheblichkeit, die aus seiner Annahme sprach, war mehr als genug, um sie wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Sie legte den Kopf schief und faltete ihre nicht länger zitternden Hände vor ihrem Körper. »Mr Damont, ich kann Ihnen versichern: Damit ich an Ihnen hänge, dafür braucht es meterlange, dicke Seile und Unmengen von Klebstoff.« Sie wirbelte herum und ging davon. Nach ein paar Schritten blieb sie noch einmal stehen und sah sich nach ihm um. »Und selbst dann, Sir, wäre ich an Ihrer Stelle nicht so sicher.«
Sein leises Lachen begleitete sie den Flur entlang wie ein freundlicher Hund, beruhigend und gleichzeitig doch irgendwie nervend. Trotzdem war sie froh, dass sie sich wieder auf vertrautem Grund bewegten.
Das bedeutete, dass sie jeglichen Gedanken an diesen verstörenden Kuss weit zurückstellen konnte. Und das würde sie auch. Bald.
Es war jedoch schade, dass sie das tun musste. Es war ein sehr angenehmer Kuss gewesen.
Noch wichtiger war jedoch: Es war ihr erster gewesen.
Ethan kam früh und unangekündigt in einer schäbigen Mietsdroschke nach Hause zurück. Aber es half nichts. Jeeves erwartete ihn auf der Treppe und nahm Hut und Spazierstock entgegen.
»Sie machen mich noch krank, Jeeves«, sagte Ethan, als er aus der Kutsche stieg.
»Bestimmt, Sir«, entgegnete Jeeves unbewegt. »Haben Sie vor, später noch einmal auszugehen, Sir?«
»Nein, Jeeves. Sie können sich zurückziehen.« Ethan betrat sein Haus und steuerte den Brandy an. Er war bereits auf halbem Weg durch sein Arbeitszimmer, bis ihm einfiel, dass der Brandy ja neuerdings in sein Wohnzimmer umgezogen war. »Was soll’s?«, murmelte er vor sich hin. Das Feuer war einladend genug, und sein Sessel war nah an den Kamin gezogen worden. Er rieb sich die Stirn und versuchte, die Spannung, die sich dort sammelte, wegzumassieren. Ohne hinzusehen ließ er sich in seinen Sessel fallen.
Und sprang im nächsten Augenblick schreiend wieder auf, als etwas Kleines, Quirliges mit einem erstickten Quietschen hinter seinem Rücken herausschoss. Ethan griff sich den Schürhaken und schwang ihn in die Richtung, in der das schreckliche Biest verschwunden war. Die Tür ging auf.
»Gibt es ein Problem, Sir?«
»Jeeves, hier ist eine Ratte.«
»Ja, Sir. Welche Farbe hat sie?«
»Farbe?« Er blinzelte. Er hatte kaum einen Blick auf das Vieh werfen können. »Äh … irgendwie orange, glaube ich.« Das war lächerlich.
Er sah zu, wie Jeeves ruhig durchs Zimmer ging und unter das kleine Sofa griff. Beeindruckt ließ Ethan seine Waffe sinken. »Zur Hölle, Jeeves! Sie sind vielleicht mutig!«
»Ja, Sir«, antwortete der Butler ruhig. Mit ernstem Gesicht patschte er ein paar Mal im Dunkeln herum, dann zog er seine
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