Die schoene Tote im alten Schlachthof
über
den Ruhestand und das beunruhigende Gefühl, mittlerweile tatsächlich zum
Alteisen zu gehören. Nach dem zweiten Stubbi sagte Dr. Quint plötzlich:
»Das habe ich völlig vergessen, Rudi. Schorsch wollte vorhin, als
ich ging, irgendwas von dir. Da warst du anscheinend schon unterwegs hierher.
Am besten, du rufst ihn mal kurz an.«
»Wieso soll ich den anrufen? Kann der sich nicht bei mir melden,
wenn er Informationen für mich hat?«
»Schon«, antwortete Quint, »aber dafür müsste der Herr
Hauptkommissar auch Saft auf seinem Handy haben.«
Ferschweiler griff in seine Tasche und zog sein Mobiltelefon heraus.
Es war tot.
»Scheiße«, sagte er. »Darf ich deins benutzen?«
»Wenn’s denn sein muss. Aber keine 0190er-Nummern.«
Ferschweiler suchte in seinem Notizbuch nach der Nummer des Kollegen
von der KTU und tippte sie in Quints Telefon.
Dessen letzte Bemerkung ließ er unkommentiert.
Nach dreimaligem Klingeln meldete sich Wingertszahn-Lichtmeß.
»Rudi, schön, dass du anrufst. Du bist ja wie vom Erdboden
verschluckt. Ermittelst du jetzt undercover oder bist du inzwischen beim
Verfassungsschutz?«
Ferschweiler hatte über die Witze des Kollegen noch nie lachen
können.
»Ich habe Neuigkeiten für dich.«
»Schieß los«, sagte Ferschweiler. »Es geht um den Mord an Melanie
Rosskämper, oder?«
»Nein«, sagte der Kriminaltechniker, »es geht um beide Morde. Ich
hatte dir doch von den Fasern erzählt, die ich an der Kippe neben Kinzigs
Leiche gefunden habe.« Unvermittelt legte der Kollege von der KTU eine Pause ein. Ferschweiler hasste das. Immer
musste man bei Schorsch nachfragen. Diese besondere Trierer Eigenart konnte er,
obwohl er von hier war, selbst nicht leiden.
»Und«, fragte er genervt, aber hochinteressiert, »was ist mit den Fasern?«
Beschweren nützte in diesen Fällen nichts. Schorsch war ein echter Kürenzer
Dickkopf.
»Die Fasern haben mich eine Menge Arbeit gekostet. Die Farbe und
Zusammensetzung haben mich sofort skeptisch gemacht. Es handelt sich um eine
aufwendig produzierte Textilfaser auf Nanotechnologie basierend, die in der
Herstellung von Outdoor-Bekleidung verwendet wird. Da wurde ich stutzig und
habe mir die Kleidung von Ulrike Kinzig aus der Asservatenkammer kommen lassen,
weil ich mich an ihre auffällige Wanderjacke erinnern konnte. Und siehe da! Die
Fasern stammen zweifelsfrei von dem Stoff, aus dem die Innenseiten der
Jackentaschen gemacht sind.«
»Na, leck mich fett«, entfuhr es Ferschweiler, der sich auch gut an
die Jacke erinnern konnte. »Und was schlussfolgerst du daraus, Schorsch?«
»Für mich gibt es nur eine Erklärung«, sagte dieser. »Die Kinzig
hatte die Kippe in ihrer Jackentasche. Und die nutzt man ja normalerweise nicht
als Aschenbecher, also muss sie sie bewusst da reingetan haben.«
»Aber wenn sie die Kippen in ihrer Tasche hatte, wir sie jedoch
sowohl neben Melanie Rosskämper als auch neben ihrer eigenen Leiche gefunden
haben, dann muss sie die erste Kippe neben die tote Rosskämper gelegt haben,
als sie sie fand.«
»Und die zweite?«, mischte sich Dr. Quint in das Gespräch ein, der
während der ganzen Zeit seinen massigen Kopf neben das Mobiltelefon gehalten
hatte. Gut, dass die Wirtin Ferschweiler schon kannte, sie hätte sich sonst wer
weiß was bei diesem sonderbaren Paar gedacht.
»Tja«, sagte Ferschweiler nachdenklich. »Vielleicht ist sie ihr aus der
Tasche gefallen, als sie den Schlag mit dem Spaten gegen die Schläfe bekam.«
»So könnte es gewesen sein«, sagte Schorsch. »Bestätigt wird deine
Theorie dadurch, dass die Kippe trocken war, als wir sie fanden.«
»Aber es stellt sich die Frage, warum die Kinzig die Kippe neben die
tote Rosskämper gelegt hat«, sagte Ferschweiler.
»Darauf gibt es eigentlich nur eine Antwort.« Dr. Quint winkte,
während er dies sagte, der Bedienung zu, um ein weiteres Stubbi zu bestellen.
»Jetzt machst du es auch noch spannend, Doc«, sagte Ferschweiler
genervt. »Nun sag doch endlich mal ohne Aufforderung, was du denkst.«
Dr. Quint lachte. »Du änderst mich nicht mehr, Rudi. Du nicht. Aber
wenn du es unbedingt wissen willst. Die Kinzig hatte wahrscheinlich einen Plan.
Vielleicht kannte sie den Täter und wollte uns einen versteckten Hinweis
geben.«
»Wie in schlechten Kriminalromanen«, stellte Ferschweiler seufzend
fest. »Aber mal ehrlich, Doc: Wieso sollte sie das tun? Ich habe mit ihr
gesprochen. Da hätte sie doch klipp und klar den Täter benennen
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