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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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Anrufbeantworter teilte mir mit,
dass man sich mit der Arbeiterwohlfahrt auf den Hurtigruten befinde und erst am
22.   November zurückkehren werde. Soll ich Kontakt zu der Reederei aufnehmen,
die die Hurtigruten bedient, damit wir zeitnah mit Kommittkes Eltern sprechen
können?«
    Ferschweiler schüttelte den Kopf und dachte nach. Dann sagte er: »Nein,
bevor wir diesen Aufwand betreiben, sprechen wir erst noch einmal mit unserem
Künstler. Was hat der eigentlich so gemacht, in künstlerischer Hinsicht, meine
ich? Dr.   Berggrün und Helena Claus waren ja ganz begeistert von ihm.«
    De Boer räusperte sich. »Also, im Bereich Kunst ist Kafka weitgehend
Autodidakt. Seit 2005 hat er einen Galeristen in Berlin. An der Trierer
Kunstakademie ist er erstmals 2008 als Dozent in Erscheinung getreten.
Überzeugt haben damals wohl sein pädagogisches Konzept und seine besondere
Ausstrahlung. Seine Kurse wurden im ersten Semester, wohl wegen seiner
Unbekanntheit bei den Teilnehmern, noch recht verhalten besucht, waren danach
aber übervoll. Seine Lehre verfolgte immer experimentelle Konzepte. Einmal hat
er ein Seminar mit dem Titel ›Die weiße Leinwand‹ angeboten, ein anderes Mal
hieß sein Kurs ›Bilder, die besser nie gemalt worden wären‹. Selbst berühmt
geworden ist er mit fast schon dadaistisch zu nennenden Konzepten wie der
Präsentation von Bildern, die in speziellen Holzkisten verpackt waren. Öffnete
man die Kisten, so setzte man dadurch einen Mechanismus in Gang, der die
Leinwände im Inneren mit einer Chemikalie besprühte, die zu deren sofortiger Zersetzung
führte. Er schuf also Kunst, die sich im Akt der versuchten Betrachtung selbst
zerstörte und deshalb im eigentlichen Sinne unbetrachtet bleiben musste.
Raffiniert, oder? Ich finde, dass das ein überaus interessantes Konzept ist,
das …«
    Ferschweiler schüttelte den Kopf und machte mit der rechten Hand
eine deutlich sprechende ablehnende Bewegung. Kunst, die nicht betrachtet
werden konnte, die quasi nur imaginär vorhanden war? Er fand das mehr als
absonderlich.
    »Dann hat Kafka ein Fotoprojekt gestartet«, berichtete de Boer, unbeirrt
von den abwehrenden Blicken und Gesten seines Kollegen, weiter, »bei dem er
Pornofilme nach Szenen durchsuchte, in denen Reproduktionen von Werken der
Hochkunst im Hintergrund zu sehen sind. Diese film stills hat
er dann ausgedruckt, vergrößert und in eine deutlich verpixelte Struktur
überführt. Die Leinwände, die er so schuf, haben das Format von circa drei mal
drei Metern und sind auf dem Kunstmarkt stark gefragt.«
    Ferschweiler wollte nichts mehr hören. Kunst oder das, was man als
solche bezeichnete, wurde ihm immer suspekter.
    »Na dann, Ferschweiler«, sagte Dr.   Süß zum Abschluss, stand auf und
knöpfte sich sein Sakko zu. »Konzentrieren Sie sich erst einmal auf diesen
Kafka alias Kommittke alias Bolski. Was für ein Verwirrspiel. Behalten Sie bloß
beide einen kühlen Kopf. Wir können es uns nicht erlauben, in diesem Fall
Fehler zu machen.«
    »Okay, Chef«, sagte Ferschweiler. »Reicht der momentane Stand der
Ermittlung eigentlich aus, dass wir uns mal in Kafkas Wohnung umsehen können?«
    »Das, mein lieber Freund, glaube ich nicht. Aber Ihnen fällt schon
etwas ein, da bin ich mir sicher. Nur gehen Sie behutsam vor. Einen Skandal
kann ich nicht gebrauchen.«
    Lautstark fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Im Büro herrschte
einen Moment lang Stille.
    Dann räusperte sich Ferschweiler. »Also ist die Verwirrung komplett,
oder?« Er sah de Boer ratlos an. »Wie gehen wir weiter vor, was meinst du?«
    »Wir kriegen vielleicht aktuell keinen Durchsuchungsbefehl«, sagte
de Boer, »aber es ist ja sicher nichts dagegen einzuwenden, wenn wir Laszlo
Kafka im Rahmen einer offiziellen Befragung noch einmal bei sich zu Hause
aufsuchen.«
    »Gute Idee, vielleicht können uns ja auch seine Nachbarn noch das
eine oder andere über ihn erzählen. Außerdem ist es höchste Zeit, ihn um eine
Speichelprobe zu bitten und nach Tattoos zu fragen. Und mal ganz abgesehen
davon: Ich wollte immer schon einmal sehen, wie ein Künstler eigentlich so
lebt«
    Ferschweiler und de Boer verließen das Kommissariat in der
Güterstraße und fuhren mit dem Dienstwagen in Richtung Fluss. Wie immer war in
der Karl-Marx-Straße vor der Ampel an der Römerbrücke Stau.
    Na, das kann dauern, dachte Ferschweiler und blickte aus dem Fenster.
    Die Karl-Marx-Straße war eine Art Rotlichtmeile der Moselmetropole:
Ein paar muffige

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