Die Schöne und der Tod (1)
irgendwo auf dem Friedhof finden, hinter einem Grabstein versteckt, und dem Pfarrer zurückbringen. Man wird keine Fingerabdrücke finden, keine Spuren, die auf einen Täter hinweisen würden.
Dennis wollte am Friedhof für Ordnung sorgen, er hat das Schaufeln gehört, er wollte nachsehen, wer da grub. Währenddessen lag Max bei Emma. Er hörte nicht, wie jemand Margas Grab öffnete, wie der Junge versuchte, es zu verhindern. Irgendjemand hat ihn umgebracht. So muss es gewesen sein, nur so und nicht anders.
Max wartet nicht, bis Tilda zurückkommt. Er geht nach oben, er will schlafen, er will, dass der nächste Tag beginnt. Er nimmt zwei Tabletten und macht das Licht aus.
Fünfzehn
Er hat tief geschlafen. Da war nichts, nur Schwarz. Keine Emma, kein Dennis, keine Marga. Alles war gut. Bis die Augen aufgingen, bis diese Augen zuschauten, wie sie ihn aufschnitten.
Nach dem, was Johanna ihr erzählt hatte, hatte Tilda keine andere Wahl, sie ließ die Leiche in die Gerichtsmedizin bringen. Und jetzt geht sein Bauch auf. Organe in der Hand der Gerichtsmedizinerin. Wie sie in das Mikrofon spricht und jeden Schritt kommentiert. Wie Max und Tilda nur dastehen und zusehen. Wie die Medizinerin den Jungen behutsam zerlegt, seinen Kopf rasiert, ihn zersägt, untersucht. Wie sie herausfindet, woran er gestorben ist.
Geduldig beantwortet sie Tildas Fragen und näht währenddessen den Brustkorb zu. Max hört ihr zu, er schaut Dennis an, den zerschnittenen Körper, das Fleisch, das auseinanderklafft, das sie mit groben Nähten wieder zusammenfügt. Er hat keine Haare mehr, er wirkt fremd. Max versucht sich an ihn zu erinnern, wie er noch vor einer Woche gewesen ist. Wie er geredet hat. Wie er sich bewegt hat. Es ist nichts mehr da. Nur noch der kaputte Körper, zerschnitten, zusammengenäht, tot, bereit, vergraben zu werden.
Die Gerichtsmedizinerin spricht von Fremdeinwirkung, von einem Schlag mit großer Wucht gegen den Hinterkopf, von einem Bluterguss und Einblutungen in die Kopfschwarte, von einem harten Gegenstand, der Dennis getroffen hat, das Rückenmark ist verletzt, geschwollen, die beiden ersten Halswirbel sind gebrochen, Dennis ist an einem spinalen Schock verstorben, es ist ganz schnell gegangen, sagt sie.
Sie hat auch das Blut untersucht, da war kein Alkohol, er war nüchtern, als er starb. Und dann diese Flecken auf der Magenschleimhaut, die da sein hätten müssen, wäre er erfroren. Perlschnurartige, schwarze, punktförmige Flecken, sie waren nicht da. Dennis wurde erschlagen, an Margas Grab, von demjenigen, der sie ausgegraben hat. Er hat ihn überrascht, wollte ihn aufhalten. Warum ist er nicht einfach mit Johanna gegangen? Warum? Max sieht ihn vor sich. Wie er alles richtig machen will, wie er sich bemüht, weil er Max dankbar ist, dass er diese Stelle bekommen hat. Wie er da liegt. Nur noch ein Stück Fleisch. Nur noch Erinnerungen.
Tilda nimmt Max am Arm und bringt ihn an die Luft. Nur langsam kann er fassen, was er gehört hat. Während er zurück ins Dorf fährt, versucht er, Ordnung zu machen in seinem Kopf, Fragen zu stellen, sich die Antworten vorzustellen. Er muss herausfinden, warum das alles passiert ist, warum jemand Marga ausgegraben hat, wer sie ausgegraben hat. Warum Dennis deshalb sterben musste. Er muss wissen, wo die Leiche nach dem Mord war. Er muss wissen, wer August erpresst. Er muss wissen, wo Marga ist, ihre Leiche ist der Schlüssel zu allem.
Max sagt es sich vor, laut. Es geht um Marga. Nur um Marga. Er muss herausfinden, wer sie ausgegraben hat, dann weiß er auch, wer Dennis getötet hat, wer August erpresst. Er muss nachdenken, er darf nichts übersehen, er muss noch einmal mit allen reden. Zuerst August. Max findet ihn am See. August bohrt gerade ein Loch.
– Wieso stolperst du auf dem Eis herum? Was willst du noch von mir?
– Mit dir reden.
– Lass mich in Ruhe, Max. Du machst alles nur noch schlimmer.
– Du angelst?
– Ja, ich angle. Was soll ich sonst tun?
– Ich will nur mit dir reden.
– Du sollst mich in Ruhe angeln lassen.
– Beißt was?
– Geht dich nichts an.
– Vielleicht fangen wir nochmal von vorne an.
– Nicht, wenn du glaubst, dass ich meine Frau ausgegraben habe.
– Der, der sie ausgegraben hat, hat auch Dennis umgebracht. Man hat ihn gestern gefunden.
– Hab ich gehört.
– Also Leichendiebstahl und Mord.
– Du denkst tatsächlich, ich wars?
– Ich denke gar nichts. Vielleicht war es Kattnig, vielleicht ein völlig Fremder. Ich
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