Die Schöne und der Tod (1)
werde mit der Gerichtsmedizin reden, aber ich kann dir nichts versprechen. Deine Ahnungen sind dem Staatsanwalt zu wenig. Ich kenne die Gesetze, und die Gesetze sind manchmal nicht so, wie wir sie gerne hätten. Trotzdem müssen wir uns an sie halten. Verstanden?
– Ich scheiß auf deine Gesetze.
– Bravo, Max.
– Das ist alles kein Zufall. Das mit Marga. Und dann das mit Dennis.
– Du solltest jetzt schlafen.
– Nein.
– Ich weiß, wie es dir geht, ich verstehe dich. Und ich werde mich darum kümmern. Ich habe es dir versprochen. Verlass dich auf mich.
– Bevor du ihn nicht aufschneiden lässt, werde ich ihn nicht eingraben.
– Das ist nicht deine Entscheidung.
– Doch.
– Sturer Hund.
– Tilda?
– Was?
– Emma ist weg.
– Ich weiß. Sie hat mir einen Zettel geschrieben. Tut mir leid für dich.
– Vielleicht hat ja sie ihre Schwester ausgegraben.
– Das ist nicht lustig, Max. Trink deine Milch aus und ab jetzt.
Tilda droht ihm mit einem Lächeln. Sie steht auf und räumt den Tisch ab. Max lächelt zurück, da klopft es an der Tür, laut, heftig. Max öffnet. Johanna schlüpft schnell durch den kleinen Spalt und drückt die Tür zu.
Sie ist aufgeregt, außer Atem, ihre Augen gehen von Tilda zu Max, von Max zu Tilda. Tilda legt ihr die Hand auf die Schulter und schiebt sie in die Wohnung. Max folgt ihnen. Dass Johanna hier ist, bedeutet nichts Gutes, sie ist so nervös, auf ihrer Schulter trägt sie eine Golftasche, ihre Augen sind rot, sie hat geweint. Ihre Beine zappeln unter dem Tisch, unruhig spielt sie mit ihren Haaren. Die Tasche liegt auf dem Tisch, sie hält sie fest, sie zittert. Dann beginnt sie zu erzählen, immer wieder stockt sie, immer wieder kommen Tränen.
Dass sie das Geld brauchten, sagt sie. Weil sie weg wollten, gemeinsam, weil sie es nicht mehr aushielten hier in diesem Dorf, weil man hier nicht leben kann, weil es zu eng ist, zu klein. Weil sie etwas anderes wollten, sie und Dennis. Griechenland, sie wollten nach Griechenland, auf eine kleine Insel, oder nach Berlin, sie wollten einfach nur zusammen sein, nur sie und Dennis, irgendwo, wo jeder sie so sein lässt, wie sie sind. Sie sagt, dass sie ihren Vater bestehlen wollte, dass Dennis sich aber geweigert hat. Er hat sie davon abgehalten, sagt sie, das würde ihr der Alte nie verzeihen.
Johanna zögert, sie windet sich, Max spürt es, sie will ihnen alles erzählen, aber sie kann nicht. Wie schwer es ihr fällt, wie drückend es auf ihr liegt, wie laut sie nach Hilfe schreit. Tilda sagt nichts. Auch Max nicht, sie sitzen nur da und hören zu, Tilda streichelt ihren Rücken. Johanna öffnet die Tasche und legt die Leuchter auf den Tisch.
Sie sagt, Dennis hat vorgeschlagen, sie aus der Kirche zu stehlen. Er wollte sie verkaufen, sagt sie, er wollte neu anfangen. Mit ihr. Sie würden glücklich sein, hat er gesagt. Johanna weint. Sie schluchzt, es tropft auf die Leuchter. Während sie weiterspricht, vom Diebstahl erzählt, steht Tilda auf und holt ein Tuch, mit freundlichen Augen setzt sie sich wieder und beginnt zu polieren. Sie wischt über das Metall, verwischt Spuren, Fingerabdrücke, während Johanna sagt, dass sie Dennis geliebt hat. Sie wäre überall mit ihm hingegangen. Sie und Dennis. Sie erzählt, wie sie in die Sakristei einbrachen. Wie sie die Leuchter nahmen, sie in die Golftasche ihres Vaters packten. Wie sie dann über den Friedhof davonschlichen. Wie sie weglaufen wollte, wie alles so unheimlich war. Aber Dennis hat diese Geräusche gehört.
Sie wollte doch nur mit ihm zusammen sein, sie wollte nicht, dass er sie alleine lässt, er wollte nachkommen, er wollte nur nachsehen, woher die Geräusche kamen, sie wollte ihn aufhalten, ihn überreden, mit ihr zu kommen, aber er blieb, er wollte wissen, wer da war mitten in der Nacht. Er hat sie allein gelassen mit der Tasche. Und jetzt ist er tot, sagt sie. Sie sagt es immer wieder, er ist tot, er ist tot, er ist tot.
Dann schreit sie. Dass es kein Unfall war. Dass er nie getrunken hat. Dass da jemand gegraben hat. Sie hatte ihren Koffer schon gepackt, schreit sie. Ihren Koffer, ihr Dennis, ihr Glück.
Tilda nimmt sie in den Arm, ruhig und ohne Vorwürfe spricht sie mit ihr, bis da keine Tränen mehr sind. Bis Johanna aufsteht, die leere Tasche nimmt und sich von Tilda nach Hause begleiten lässt.
Max bleibt allein in der Küche zurück. Er sitzt vor den goldenen Leuchtern und dem kleinen Berg Münzen aus dem Opferstock. Morgen wird er die Beute
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