Die Schöne und der Tod (1)
Er ruft um Hilfe.
Laut seine Stimme. Er steckt fest, er kann sich nicht bewegen, er weiß nicht, was passiert ist, warum alles eingebrochen ist. Noch nie ist das passiert, er schreit, noch nie. Er hat Angst, die Erde nimmt ihm fast die Luft, halb begraben brüllt er. Doch niemand ist am Friedhof, keiner, der ihm hilft. Nur seine Hilferufe, sein flaches Atmen, seine Angst zu ersticken. Er bekommt kaum noch Luft.
Dann Baronis Gesicht über ihm. Seine Stimme, wie die Schreie verstummen, wie die Panik verschwindet. Baroni beruhigt ihn, vorsichtig steigt er hinunter zu Max, behutsam beginnt er, Max auszugraben. Mit seinen Händen schaufelt er die Erde nach oben. Ruhig redet er mit ihm, befiehlt ihm, langsam zu atmen, sich nicht aufzuregen, ihm wird nichts passieren, sagt er.
– Wie mache ich das?
– Ich bin dir sehr dankbar, sehr. Bitte beeil dich.
– Ich grab dich aus, mein Lieber, aber davor musst du mir sagen, mit wem du gestern Wein getrunken hast. Ich habe dich durch das Fenster gesehen.
– Baroni, bitte, du sollst mich retten, nicht nerven. Pass lieber auf, dass nicht alles auf uns herunterkommt. Du darfst die Wand nicht berühren, da ist alles lose.
– Entweder du sagst es mir, oder ich gehe frühstücken.
– Du kannst mich hier nicht alleinlassen, meine Beine sterben bald ab, ich spüre sie kaum noch.
– Also? Wer?
– Hanni.
– Echt?
– Ja.
– Deine Würstelstandhanni?
– Kennst du sonst noch eine?
– Die Hanni mit den großen Brüsten?
– Du sollst graben.
– Was ist mit Emma?
– Was soll mit ihr sein?
– Ich dachte, du und sie.
– Sie ist nicht da.
– Und Hanni war da?
– Genau.
– Wow.
– Das war kein Zufall, Baroni.
– So etwas kann jedem passieren, halb so schlimm.
– Ich meine nicht Hanni, ich meine das hier, das Grab, dass es eingestürzt ist.
– Du meinst, so etwas passiert dem großen Totengräber Max Broll nicht?
– Genau.
– Also wollte dich jemand beerdigen. Willst du das sagen?
– Wenn ich nicht so schnell gewesen wäre, könntest du ab heute alleine trinken.
– Wer sollte das tun?
– Wer sollte eine Leiche stehlen? Wer sollte einen Jungen erschlagen?
– Wieso erschlagen? Dennis ist erfroren, habe ich in den Nachrichten gehört.
– Sie haben ihn obduziert. Eine kleine Wunde am Hinterkopf, Genickbruch, kein Alkohol im Blut. Er hat den Leichenschänder am Grab erwischt, und der hat ihn umgebracht.
– Das kann nicht sein.
– Doch, kann es. Derjenige, der Dennis getötet hat, hat auch das hier getan. Der wollte, dass ich hier unten bleibe. Für immer.
– Ich hol dich hier raus.
– Bitte pass auf, du darfst dich nicht zu viel bewegen, du musst auf die Wände aufpassen.
– Du hast Erde im Mund.
– Bitte beeil dich.
– Hast du jemanden gesehen?
– Nein. Ich habe auch nichts gehört, die Erde war plötzlich da. Aber so eine Schalung bricht nicht einfach so, da oben war jemand, das weiß ich.
– Und was machen wir jetzt?
– Du gräbst mich aus und dann fahren wir nach Wien.
– Wien? Warum das?
– Wir zwei werden herausfinden, warum sie gesprungen ist, unsere Marga. Vielleicht bringt uns das weiter.
– Wien klingt gut.
Baroni legt die Hände frei, sie graben beide, werfen Erde nach oben, befreien Beine, Füße. Dann steigen sie nach oben. Wortlos stehen sie am Friedhof, die Arme von Max um Baroni, sein Kopf an seine Schulter gelehnt.
Danke, sagte er. Danke.
Max lädt Baroni in seine Küche ein. Ungeduscht trinken sie Kaffee, Baroni isst Eier, alles ist so, als wäre nie etwas passiert. Dann steht Hanni plötzlich nackt vor ihnen. Sie schenkt sich Kaffee ein. Baroni schaut ihrem Körper entlang, seine Augen gehen langsam von oben nach unten. Er starrt sie an, während sie Max etwas zuflüstert, ihn zärtlich auf die Wange küsst. Ungeniert grinst sie Baroni ins Gesicht und geht wieder aus dem Raum.
– Was für ein Weib.
– Ich sagte dir doch, du sollst einmal in die Sauna kommen.
– Wenn ich das gewusst hätte, Max. Was hast du mir da nur vorenthalten?
– Sie ist etwas Besonderes.
– Schaut so aus. Aus der Nähe ist sie noch beeindruckender als von oben.
– Ich war lange mit Hanni zusammen.
– Warum bist du es nicht mehr?
– Wir passen nicht zusammen.
– Dir ist nicht zu helfen.
– Das funktioniert nicht mit uns.
– Und warum schläfst du dann mit ihr?
– Sie hat das vorgeschlagen, ab und zu, meint sie.
– Gut für dich.
– Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.
– Warum ist
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