Die Schöne vom Nil
leider sein Herz aus. Und darum bin ich hier, Gemal! Und ich schwöre Ihnen bei allem, was uns heilig ist: Wenn ich keine Antwort von Ihnen bekomme, dann leben Sie nicht länger! Mein eigenes Leben? Es ist nichts mehr wert, und es gilt mir nichts mehr, wenn Sie schweigen.«
»Das Letzte? Wieso das Letzte?« stammelte Gemal.
Die Angst bewirkte, daß sein massiger Körper wie von Krämpfen geschüttelt wurde.
»In dem Grab befindet sich mein Verlobter, Dr. Herburg. Er ist Archäologe.«
»Ich denke … sollte er nicht zu Gast bei Suliman sein?«
Leilas Oberkörper zuckte vor. Das Messer blitzte vor Gemals Augen. Er stieß einen hellen leisen Schrei aus und kippte auf dem Diwan zur Seite.
»Sie wußten es also?« zischte sie. »Sie wußten alles …«
»Nur, was mir Suliman am Telefon erzählte. Von dem Grab war nie die Rede, ich schwöre es Ihnen …«
»Er hat Dr. Herburg eingemauert …«
»O Allah!«
»Aber er konnte nicht mehr sagen, wo der geheime Eingang ist. Sie aber kennen ihn, Gemal …«
»Leila, ich …«
»Wo?« Das Wurfmesser wippte auf ihrer Hand. »Gemal, ich flehe sie an – hören Sie? Ich flehe! Wo ist der geheime Eingang zu der Grabanlage?«
»Ich … ich war nur zweimal da. Und dann nachts. Wie soll ich es beschreiben? Es ist eine Dornenbuschgruppe, die kein Mensch beachtet. In dieser Buschgruppe ist der Einstieg … ein Loch, mit einer Stahlplatte zugedeckt. Und auch die Stahlplatte ist mit Gestrüpp beklebt. Der Schacht geht dann senkrecht hinunter, in die Wand sind Steigeisen eingelassen, und er endet in einem Gang. Dieser nun führt leicht abfallend durch weitere Stahltüren in das Grab …«
Gemal hatte abgehackt, aber doch sehr präzise gesprochen. Er schnaufte nun wie ein gehetztes Pferd.
»Aber … was nützt Ihnen das alles, Leila? Wer weiß denn, wo in diesem Labyrinth, in welcher Seitenkammer, in welchem Stollen Dr. Herburg eingemauert wurde? Und … lebt er noch? Kann er überhaupt noch leben? Hat er soviel Luft? Wenn Suliman etwas machte, dann machte er es gründlich …«
»Er opferte sogar seine Salimah …«
»Ja, das habe ich ihm auch sehr übelgenommen!«
Gemal, inzwischen weich in den Knien, wagte es, sich wieder hinzusetzen.
Leila war zurückgewichen und sah ihn aus großen Augen an.
Sie hat jetzt die richtige Wurfentfernung, dachte Gemal erschrocken. Und sie fixiert mich … Sie nimmt Maß … Sie zielt …
»Warum wollen Sie das tun?« stammelte er. »Ich … ich habe Ihnen doch alles gesagt, was ich weiß, Leila …«
»Stehen Sie auf, Gemal Mohammed!«
Der Dicke stemmte sich ächzend hoch und schwankte, als er auf seinen kurzen Säbelbeinen stand.
»Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, Leila«, greinte er. »So glauben Sie mir doch …«
»Gehen Sie voraus …«
»Wohin?«
»Durch Ihr Haus, auf die Straße … Sie gehen vor mir her, und wenn Sie auch nur einen Laut von sich geben, so sitzt das Messer in Ihrem Rücken. So ist auch Salimah gestorben …«
»O Allah! Sind Sie noch eine Frau? Und dann …?«
Gemal setzte sich in Bewegung. Wie eine vollgestopfte Puppe, die laufen muß, setzte er tapsend einen Schritt vor den anderen. »Sie liefern mich der Polizei aus?«
»Ich muß sofort zurück nach Sakkara.«
»Das heißt …«
»Rechnen Sie, Gemal. Wieviel Zeit bleibt Ihnen noch?«
»Sie haben mich vernichtet, Leila. Auch wenn ich weiterlebe … Ich habe kein Ägypten mehr! Ich kann nie mehr nach Kairo zurück …«
»Sie werden etwas Geld in der Schweiz haben!«
Sie gingen weiter, durch die große Eingangshalle, die leer war, durch den großen Park, in dem sie auch allein waren. Dann gingen sie hinunter zu dem Tor, wo das Taxi wartete.
Die Diener nahmen Gemals Befehl wörtlich: Nicht stören, bevor ich rufe. Und Gemal rief nicht … so merkwürdig das auch alles aussah. Die Diener blieben unsichtbar im Hintergrund.
»Was sind ein paar Millionen Pfund, wenn man Heimweh hat?«
Sie hatten das Tor zur Straße erreicht. Der Taxifahrer stieg aus und riß die hintere Wagentür auf.
Die Gefahr war vorbei … für Gemal, auch für Leila. Sie standen sich nahe gegenüber und blickten sich eine kurze Zeit schweigend an.
»Wer hätte das gedacht«, sagte Gemal Mohammed endlich. »Ich zerbreche an einer Frau! Ich müßte Sie bewundern, Leila! Allah beschütze Sie!«
»Allah verfluche Sie!« antwortete Leila und hielt Gemal ihr Wurfmesser hin. »Nehmen Sie das als Andenken …«
Er nahm das Messer von ihrer Handfläche und steckte es in seinen Gürtel.
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