Die Schöne vom Nil
Leila!« brachte Gemal, heiser vor Erregung, hervor. »Total verrückt. Ein Schrei, und meine Leute machen Gulasch aus Ihnen …«
»Sie werden nicht mehr schreien können, Gemal!« sagte sie hart. »Ich habe bei meinem Onkel in der Wüste gelernt, wie man dieses Messer blitzschnell wirft. Aus dem Handgelenk heraus – wollen Sie es sehen?«
Sie bewegte die rechte Hand, ließ sie vorschnellen … und Gemal hob beide Hände schutzsuchend vor seine breite Brust. Seine Mundwinkel hingen plötzlich herab, und die Augen quollen hervor wie bei einem Fisch, den man aufs Trockene geworfen hat.
»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen …«, stammelte Gemal nun. »Sie kennen mich doch überhaupt nicht …«
»Aber ich habe Suliman gut gekannt. Er war ein so reizender Gastgeber. Seine Abendpartys waren berühmt. Wir haben oft zusammen geplaudert, und da fiel auch Ihr Name, Gemal Mohammed. Als sein Freund, als sein Vertrauter …«
»Ja, das bin ich …«
»Und vor allem als sein Geschäftspartner …«
»Das bin ich nur manchmal …«
»Sie waren es, Gemal!«
Jetzt glotzte der dicke Mann Leila sprachlos an. In seine Augen trat die Angst. Er war nie ein Held gewesen – das hatte er auch nie von sich behauptet.
Sein Schlachtfeld war der Schreibtisch, seine Waffe das Telefon. Wenn einmal liquidiert werden mußte – und wann ließ sich das vermeiden? –, dann taten das die anderen. Die Kleinen, die man dafür bezahlte. Er kümmerte sich um größere Dinge: um die Millionengewinne, um die Freundschaft mit Ministern und anderen einflußreichen Leuten, um schöne Frauen, die es genug gab, wenn man in dieser Richtung nicht geizig war … und schließlich um sein persönliches Wohlergehen, das ihm wohl am wichtigsten von allen Dingen schien.
»Was soll das heißen – war?« fragte er erschrocken.
»Suliman ist tot.«
»Nein!«
Gemal spürte plötzlich, wie es ihm kalt über den Rücken lief.
»Das sagen Sie, Leila, aber wie kann ich Ihnen glauben?«
»Und er hat vor seinem Tod noch vieles gesagt, was Sie sehr interessieren dürfte, Gemal Mohammed. Wenn ich es Ihnen wiederhole, glauben Sie mir dann?«
»Vielleicht …«
»Seit Jahren arbeiten Sie beide im Rauschgifthandel zusammen …«
»Idiotie! Ich kann es beweisen, daß …«
Gemal versuchte noch einmal, aufzustehen. Wenn er stand, hatte er größere Chancen, Leila zu überwältigen. Auch könnte er dann besser weglaufen, um Hilfe schreien und seine Diener herbeirufen …
»Bleiben Sie nur sitzen, Gemal!« sagte Leila mit eisiger Ruhe.
Das Wurfmesser wippte auf ihrer Handfläche. Er starrte es an und verzichtete vorerst darauf, noch weiter darüber zu sprechen.
So blieb er sitzen und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
»Was können Sie beweisen, Gemal?« fuhr Leila fort. »Daß in der Grabanlage des Menesptah von Sakkara für einige Millionen Pfund Rauschgiftsäcke lagern, an deren Umsatz Sie maßgebend beteiligt sind?«
»Leila! Damit habe ich nichts zu tun!« Gemal Mohammed hatte sich verfärbt. Sie weiß alles, dachte er. Und sie kann es nur von ihm, von Suliman, dem Verräter, wissen! Jetzt geht es um das nackte Leben. Auf Rauschgifthandel steht Todesstrafe … sie darf also dieses Haus nicht lebend verlassen …
Er griff nach einem dicken Apfel und hoffte, sie damit überlisten zu können. Er wollte ihr den Apfel ins Gesicht schleudern und die Sekunde der Verwirrung benutzen, um seine gellenden Hilfeschreie auszustoßen.
Aber es war, als könne sie Gedanken lesen.
Sie beugte sich rasch vor, das Messer blitzte … und aus Gemals Handfläche fiel der in zwei Teile auseinandergehauene Apfel zu Boden. Über Gemals Hand zog sich eine blutige Strieme. Träge sickerte dickes Blut hervor.
»Sie sind zu langsam, Gemal«, bemerkte Leila kalt. »Glauben Sie mir, daß ich Ihnen mit der gleichen Schnelligkeit ein Ohr oder die Nase abschlagen kann? Oder ein Auge oder die ganze linke Wange? Dann können Sie auch nach Ihren Dienern schreien – aber für den Rest Ihres Lebens sind Sie verstümmelt! Ist Suliman das wirklich wert?«
»Wie ist er gestorben?« fragte Gemal Mohammed und schluckte krampfhaft.
»Nach guter alter Beduinensitte: Man hat ihn bis zum Hals in die Wüste eingegraben und dann den Kopf mit Hilfe von sechs Eimern Wasser gefragt …«
»O Allah!« seufzte Gemal und verdrehte die glotzenden Augen.
»Er schwieg vier Stunden lang … dann wurde er verrückt und erzählte alles. Aber bevor er das Letzte verraten konnte, setzte
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