Die Schöne vom Nil
Menesptah im Totenreich heranwächst, muß er doch Gespielinnen haben …«
Vorsichtig kroch Luisa die Treppe hinauf.
Oben, in der Vorratskammer, war es merkwürdig kühl, aber die Luft war freier und nicht mehr so modrig – man konnte gut durchatmen.
Luisa tat es fröstelnd, ihre Brust sprengte fast ihren BH, dann lehnte sie sich an Herburg.
Am anderen Ende der Vorratskammer war ein Durchgang in den Felsen geschlagen – auch hier leuchtete über dem Eingang der goldene Frosch.
»Du hast ihn gefunden, Frank«, sagte Luisa leise und ergriffen. »Du hast Menesptah gefunden. Der Weg ist richtig …«
»Wenn wir jemals hinkommen …«
»Wir stehen doch in den Vorräumen, Frank …«
»So leicht macht es uns Imhotep bestimmt nicht. Bis zu dem kleinen Pharao werden sich die Fallen häufen.«
Herburg ging zu dem Ausgang der großen Vorratskammer und leuchtete in einen anderen Raum hinein. Auch hier Vorratsbehälter, Ibismumien und an einem neuen Durchgang zwei lebensgroße Wächter, aus Assuangranit gehauen und dann bemalt.
»Aha! Es geht schon los!«
Herburg hob seine Lampe. Die Gesichter der beiden Wächter schienen Leben zu bekommen – das Wechselspiel von Licht und Schatten verlieh ihnen eine sprechende Mimik.
Herburg wartete, bis Luisa hinter ihm war. Dann zeigte er auf die beiden Figuren: »Dahinter wartet bestimmt ein neuer Trick des weisen Imhotep. Immerhin war er so fair, den Besucher vorher zu warnen …«
Dann sah er den merkwürdigen Streifen auf dem Felsboden und kniete nieder. Ein dünner Faden aus weißem Staub führte durch diese zweite Kammer und verschwand neben den Wächtern in der Dunkelheit.
»Mehl?« Herburg blickte hinauf zu Luisa. »Das wäre das erstemal, daß man in einem Grab der dritten Dynastie gemahlenes Korn als Totenbeigabe findet. Körner gab es schon genug – aber Mehl …?«
Luisa ging auch in die Hocke und tauchte den Zeigefinger in den weißen Staub. Dann tippte sie vorsichtig mit der Zungenspitze an ihre Fingerkuppe. Ihre Augen wurden sofort rund vor Freude über das Erkennen.
»Das ist schlicht und einfach Koks, Frank«, sagte sie. Fast hätte sie es hinausgeschrien.
»Koks?« Er verstand sie noch nicht.
»Kokain! Frank!« Sie sprang hoch und umarmte ihn jubelnd. »Hier ist unser Suliman gewesen! Ein Kokainsäckchen muß beim Transport ein Loch bekommen haben. Jetzt brauchen wir nur der Spur nachzugehen und kommen an den anderen Eingang … Wir sind gerettet, Frank! Gerettet!«
Sie fiel ihm um den Hals, küßte ihn wie besessen und begann, in der Kammer herumzutanzen. Herburg unterbrach ihren Freudentaumel nicht, aber er ahnte, daß Sulimans geheimer Einstieg in das Grab doch mehrfach gesichert sein würde …
Er hob die Lampe vom Boden auf und ging weiter. Zwischen den beiden Wächtern, die recht finster dreinblickten, blieb er vorsichtig stehen und leuchtete in die nächste Kammer hinein.
Sie war ausgeräumt worden. Was dem toten Pharao einmal als Wegzehrung zum Totenreich dienen sollte, war weggeräumt. Dafür standen hier Kisten und Kartons, Leinensäcke und Blechbehälter, säuberlich aufeinandergestapelt. Ein süßlicher Geruch kam aus diesem Raum.
Rauschgift! Ein riesiges Lagerhaus des Todes.
»Ein paar Millionen Pfund nach englischer Währung«, sagte Frank leise. »Oder – wie sagte Suliman – sind runde zwanzig Millionen nicht ein paar Menschenleben wert?«
Herburg lehnte sich an die Türnische und zog Luisa an sich.
»Für diese Säckchen und Kartons mußten Sulimans Gäste, seine Diener und sogar Salimah sterben. Für diesen Haufen von tödlichen Träumen sollten auch wir sterben.«
Vorsichtig, tastend betraten sie den neuen Raum. Überall Wandgemälde … Jagdszenen, Fischer am Nil, Ernte auf den Feldern, Schiffer auf dem großen Fluß, Rinder, die durchs Wasser getrieben werden, Männer auf dem Vogelfang, Bäuerinnen, die dem Pharao Opfergaben von den Feldern bringen …
Zwei Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts standen dem Bild des Pharaos Menesptah, des Kind-Königs, gegenüber. 5.000 Jahre lagen zwischen ihnen …
Menesptah war ein schöner Junge mit dem schmalen aristokratischen Schädel aller Pharaonen. Er hockte auf einem viel zu großen Thron, der seine Kindheit noch unterstrich, und nahm mit einer gnädigen Bewegung seiner kleinen Hand die Opfergaben seiner Untertanen entgegen.
Ein anderes Gemälde zeigte ihn, wie er in einem Binsenboot durch einen Sumpf aus Papyrus fährt. Ein schlanker, muskulöser Mann bewacht ihn. Imhotep
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