Die Schöne vom Nil
wieder über den Professor gebeugt. Dann sagte sie nichts mehr, baute ihren Beatmungsapparat auf und gab dem Kranken reinen Sauerstoff. Dann injizierte sie vier Ampullen eines Mittels, das sie nicht näher erklärte, und maß laufend Blutdruck, Herzfrequenz und hörte mit dem Stethoskop den Brustkorb ab. »Es ist doch eine Vergiftung«, sagte sie dann.
»Aber woher? Wir waren alle um Professor Mitchener herum. Wir haben das gleiche gegessen und getrunken«, sagte Herburg.
»Auch das gleiche geatmet?«
»Ich nehme an, daß wir alle am Eßtisch die gleiche Luft geatmet haben. Allerdings hat Mitchener mehr Zwiebeln gegessen als wir …«
Luisa Alius lächelte säuerlich und sagte: »Wäre es möglich, daß die Herren einmal etwas weiter denken, als daran, wie meine Beine unter den Stiefelhosen aussehen? Professor Mitchener wurde das Opfer eines Atemgiftes. Wir kennen im Toxikologischen Institut von Kairo eine Reihe gasförmiger Gifte, deren Analyse uns erst in den letzten Jahren oder gar Monaten gelungen ist. Gase, die man in altägyptischen Gräbern gefunden hat und die aus chemischen Wandlungsprozessen entstanden sind. Die ägyptischen Ärzte und Priester waren Genies – das dürfen wir nie vergessen! Sie lebten eng mit der Natur –, und was die Natur an Giften bereithält, ist bis heute noch nicht ausreichend bekannt.« Sie blickte Dr. Pernam an – bewußt an Dr. Herburg vorbei.
Harris Pernam betrachtete das sofort als einen deutlichen Sympathiebeweis und lächelte breit und etwas dümmlich zurück.
»Sie haben also ein Grab aus der dritten Dynastie geöffnet?«
»Wir hoffen es! Wir sind auf einen Gang gestoßen, der in die Tiefe führt. Die Berechnung dieser Grabstätte läßt den Schluß zu, daß bei diesen Ausmaßen nur ein hoher Beamter oder eben unser sagenhafter Kind-König dort begraben liegt.«
»Und Sie waren alle in dem Gang?«
»Nein! Wir haben nur ein erstes Loch in die Wand gestoßen und … Mein Gott!« Dr. Pernams Gesicht verzog sich. Plötzlich schien ihm ein Licht aufzugehen. »Ja, das stimmt! Mitchener hat als erster den Kopf durch das Loch gesteckt und in den Gang geblickt.«
»Ich möchte diesen Grabeingang sehen«, sagte Dr. Alius ruhig.
»Aber ich bitte Sie, Dr. Alius …«, stotterte Pernam.
»Der erste Hauch der Rache – sagen wir es mit ägyptischer Lyrik – ist vorbei. Den hat Professor Mitchener inhaliert. Aber Sie werden in den nächsten Tagen weitergraben, nicht wahr?«
»Auf jeden Fall!« antwortete Dr. Herburg. »Es kann die Entdeckung des Jahrhunderts werden!«
»Und je tiefer Sie vordringen werden, je näher dem Geheimnis, je mehr in den Bannkreis der Grabkammer des Pharaos … um so gründlicher werden die damaligen Ärzte und Priester einen Schutzwall um den königlichen Körper gezogen haben. Das ist Ihnen doch klar?«
»Wenn man an so etwas glaubt …«
»Ich gehe mit!« Luisa Alius hörte von neuem des Professors Herzschlag ab. Er war etwas kräftiger geworden, auch der Atem zog etwas deutlicher durch die Lungen. Die Lähmungen ließen spürbar nach. »Ob es Ihnen nun paßt oder nicht: Ich bin ab sofort bei jeder Grabung an Ihrer Seite!«
»Nein!«
»Doch! Wir haben endlich die Möglichkeit, an Ort und Stelle zu beweisen, daß die Vorfahren der Ägypter mit Nervengasen arbeiteten. Was man immer als Phantasterei zurückwies, können wir dann belegen: Es gab vor fünftausend Jahren eine toxikologische Wissenschaft, vor der wir heute den Hut ziehen müßten.« Sie sah Dr. Herburg herausfordernd an. »Ich werde diesen Beweis erbringen«, fuhr sie fort, »und wenn Sie mich daran hindern wollen, dann nur, weil Sie mich noch nicht kennen, Dr. Herburg.«
Es wurde nur äußerlich eine ziemlich stille Nacht.
Auf katzenhaft leisen Sohlen hatte Leila den Krankenraum betreten. Dr. Abdullah stellte seine Tochter der Ärztin vor, verschwieg aber, daß sie mit Frank Herburg so gut wie verlobt war. Leila sorgte selbst dafür, daß die Besitzansprüche sofort geklärt wurden.
Sie rief leise: »Der arme Professor! Wird er überleben?« Und fiel dann Herburg ungeniert um den Hals, umklammerte seinen Nacken und küßte ihn mit einer so ungestümen Leidenschaft, als sei außer ihnen niemand im Raum und als könne sie damit den Professor retten.
Abdullah war die Demonstration seiner Tochter – in seinen Augen eine Schamlosigkeit – sichtlich peinlich, Pernam grinste verhalten. Frank Herburg stand steif wie ein Stock und ließ die Küsse über sich ergehen. Als Leila ihn gar
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