Die Schöne vom Nil
einem großen goldenen Frosch! So steht es wenigstens auf der gefundenen Holztafel …«
»Lassen Sie uns mit dem Unsinn aufhören«, sagte Luisa und stemmte die Hände in die Hüften. Die Haltung sah einer Marktfrau nicht unähnlich. »Sie unterlassen sofort Ihre dämlichen Bemerkungen – und ich bin meinerseits bereit, enger mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
»Versprochen!« rief Harris Pernam und warf die Arme hoch. »Hurra! Enger – sagten Sie? Was verstehen Sie darunter …?«
»Harris …«
»Ich mäßige mich bereits, Luisa.« Er trug gehorsam einen der Laborkoffer hinter ihr her, als sie sich abwandte und zum Laborzelt ging, das im Rohbau fertig war.
Pernam hatte Mühe, Luisa einzuholen und sich an ihrer Seite zu halten. Sie hatte einen weit ausholenden, kräftigen Schritt. »Ich dachte immer, daß Frank und Sie hier das tonangebende Team seien …«
»Nun, Frank Herburg wird sich durch das unbekannte Grabgewölbe fressen, durch Wände, Scheintüren, Labyrinthe – und was dergleichen mehr ist …«
»An Ihrer Seite?«
»Ja. Aber Sie, Harris, und ich werden dann die Ergebnisse wissenschaftlich auswerten. Ich von der biologisch-chemischen Seite, Sie von der archäologischen!«
»Danke!« sagte Pernam und ließ den Koffer vorsichtig von der Schulter gleiten.
»Wofür?«
»Nun, daß Sie mich nicht für einen völligen Idioten halten.«
»Liegt Ihnen soviel daran?«
»Ja.«
»Komisch. Bei allen Männern, mit denen ich zu tun habe, entdecke ich erschreckend starke Komplexe. Wieso eigentlich?«
»Stellen Sie sich mal fünf Minuten vor den Spiegel, Luisa, und betrachten Sie sich ausführlich. Dann haben Sie die Antwort …«
»Ja? Das habe ich auch schon mal gehört …«
»Und auch getan?«
»Natürlich! Wäre ich sonst eine Frau? Ich finde mich übrigens schrecklich.«
Sie beobachtete den Weiterbau des langen Laborzeltes und tat so, als überblicke sie die ganze Anlage: Die drei Hubschrauber, die noch immer Material ausspuckten, die Soldaten mit dem Offizier, die ihr Zelt bald fertig aufgebaut hatten, die Arbeiter unter Toc-Tocs Leitung, die wie die Ameisen immer mehr heranschleppten … Und über allem dieser seidige blaue Himmel, durch den sich jetzt die ersten schmalen, goldroten Streifen des beginnenden Abends zogen.
In Wirklichkeit aber vermißte Dr. Alius einen Menschen.
Professor Mitchener saß an der Tür seiner Baracke; der Assistent, jener Mr. Polski, sortierte noch mit Dr. Abdullah ibn Hedscha die Bruchstücke von Steintafeln, die man im ersten Gang der Grabanlagen gefunden hatte. Dr. Pernam stand neben Luisa und blickte aus den Augenwinkeln auf ihre Brust – sie bemerkte es wohl.
Einer fehlte. Am Nil konnte er doch nicht mehr sein …
»Wo ist Dr. Herburg?« fragte Luisa plötzlich.
Sie war doch nicht stark genug, diese Frage zu unterdrücken.
Dr. Pernam lächelte breit. »Er ist schon vor einer Stunde vom Nil zurückgekommen.« Ihm tat es gut, seine Beobachtung an Luisa weiterzugeben.
»Aha!« Vor einer Stunde erst, dachte sie. Hat er doch so lange gebraucht, um seine Hormone abzukühlen?
»Was heißt aha?« Pernam grinste unverschämt. »Wenn man mit Leila schwimmen geht, schaut man nicht mehr auf die Uhr.«
»Mit Leila?«
Luisa Alius starrte auf einen Arbeiter, der eine Zeltstange aus Leichtmetall in den Geröllboden stampfte.
»Die beiden gelten als verlobt … Das wissen Sie doch. Und seitdem Sie da sind, klebt Leila an Frank wie ein Kaugummi zwischen den Zähnen.«
»Harris!«
»Pardon! Immer wieder rutsche ich aus, verflucht! Aber es ist wahr – ich nehme an, daß Frank jetzt in Leilas Zimmer liegt, Händchen hält, Küßchen gibt und zum ungezählten Mal versichert, daß die vom Himmel herabgeschwebte schöne Ärztin keine Konkurrenz für eine Schöne vom Nil ist.«
»Ich brauche ihn!« sagte Dr. Alius grob. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, und ihr Gesicht bekam dadurch etwas sehr Herbes, was zu den streng zurückgebundenen Haaren bestens paßte.
»Wen denn?« fragte Pernam verblüfft.
»Dr. Herburg! Und zwar sofort! Ich bin hier, um die Grabgifte zu entdecken, aber nicht um auf Männer zu warten, die ihre Verlobten beruhigen müssen!«
Sie blickte sich in dem kleinen Barackenlager um und kniff die Augen zusammen, als blende sie die Sonne besonders grell. »Wo wohnt diese ägyptische Schönheit?«
»Neben Professor Mitcheners Baracke. In dem Holzhaus mit der grünen Tür wohnt sie mit ihrem Vater.«
Dr. Pernam hielt Luisas Arm fest. »Sie wollen doch
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