Die Schöne vom Nil
das Idyll nicht etwa stören?«
»Ein mit Giften verseuchtes Pharaonengrab ist keine Idylle!«
Sie machte sich mit einem Ruck frei und ging mit weit ausgreifenden Schritten auf die Baracke Dr. Hedschas zu.
Diesmal folgte ihr Pernam nicht. Er schob seinen zerknitterten, von Mörtelstaub bepuderten Hut in den Nacken und rieb sich die Nase.
»Wer ist hier wohl das gefährlichste Gift?« sagte er ziemlich laut zu sich selbst. »Mein lieber Frank, da haben Sie noch was zu verdauen!«
Der Zufall wollte es, daß Frank Herburg tatsächlich aus dem Haus Dr. Hedschas kam, als Luisa Alius nur noch drei Meter weit von der grünlackierten Eingangstür entfernt war.
Sie blieb sofort ruckartig stehen und drückte das Kinn an. Mit einem Schwung warf sie ihren zerbeulten Khakihut auf die blonden, zusammengebundenen Haare. Sie sah in ihrer Wut bezaubernd aus, das stellte auch Frank Herburg fest. Ihre grau-grünen Augen konnten sogar aufflammen … das hatte er nicht geglaubt. Eine so spürbare Glut, daß man sie förmlich auf der Haut brennen spürte, hatte er bisher nur in Leilas schwarzen Augen erlebt. Sie waren wie Kohlen, die plötzlich, wie von innen angefacht, zur feurigen Glut werden konnten.
»Gratuliere!« sagte Herburg, bevor sie die richtigen Worte gefunden hatte. Daß sie danach suchen mußte, war ein Beweis dafür, wie chaotisch es in ihrem Innern aussah.
»Wozu?« fauchte sie wie eine gereizte Katze.
»Zu Ihrem Labor! Das nenne ich vollkommene Organisation – besonders die Leibwache.«
»Was Sie alles beobachten …«
»Wieso? Ich saß dort am Fenster und sah Ihnen schon seit einer Stunde zu …«
»Wie nett! Sie sahen zu! Ich kann mich irren, aber irgendwo habe ich schon mal das Wort ›Hilfsbereitschaft‹ gelesen …«
»Harris Pernam war doch bei Ihnen. Ein netter Kerl, übrigens. Superklug, fast ein Computergehirn, siebenunddreißig Jahre alt, Dozent in London, ein Mann mit Zukunft! Und verliebt! So heillos verliebt in Sie, daß er Ihre Spuren im Geröll küssen möchte!«
»Sind Sie mit Ihrem Geröll fertig?« fragte sie anzüglich.
Als sie aber seinen erschrockenen Blick sah, begriff sie erst, was sie eigentlich gesagt hatte. Sie wurde rot … Mein Gott, dachte sie verzweifelt, muß das sein? Warum muß ich noch rot werden, abgebrüht wie ich bin? Leiser sagte Luisa Alius:
»Verzeihung, Frank. Aber ich bin nervös … und eine nervöse Frau hat immer eine gewisse Narrenfreiheit; stimmt's?«
»Bis zu einer gewissen Grenze, Luisa.«
Er kam ihr entgegen. Als sie dicht voreinander standen, dachten sie beide gleichzeitig an die Nil-Begegnung und an die Intimitäten, die sie sich dort an den Kopf geworfen hatten. Sie hatten sich voreinander schützen wollen – und das Gegenteil war eingetreten. Es gab schon ein Band zwischen ihnen, das fester war als alle stichelnden Worte … Sie spürten es beide und wollten davor flüchten. Aber kann ein Gelähmter noch laufen …?
»Wollen Sie mir helfen, die Einrichtung des Labors aufzubauen?« fragte Luisa gepreßt.
»Das kann Pernam viel besser. Harris hat zartere Finger für Gläser, Kolben und derartige Dinge als ich.«
»Mag sein, aber ich möchte Sie darum bitten. Vor allem aber möchte ich, daß Sie vergessen, was heute am Nil geschehen ist.«
»Am Nil? Da ist doch nichts geschehen, Luisa. Was soll ich denn vergessen?«
»Vor allem viele meiner Worte. Über die Hälfte war gelogen. Ich liebte niemals nur drei Männer – ich kann sie gar nicht zählen!«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Zum Frühstück einen, zum Mittagessen einen, zum Dessert und abends … War es so?«
»Ich könnte Sie ohrfeigen, Frank. Mir zuckt es direkt in den Händen! Sie sind ein sarkastisches Scheusal!«
»Leila dagegen nennt mich ›Sonne, die die Morgenröte zauberte‹.«
»Himmlisch! Dann müßte ich Sie das Gift nennen, ›Gift, das alle Vernunft auffrißt‹! Poesie, was? Jede aus ihrer Welt …«
Sie schob den verbeulten Hut aus der Stirn. Die obersten vier Knöpfe von Luisas Khakibluse standen offen, und Frank sah ihre Brustansätze und den Beginn der Wölbungen. Sonnengebräuntes festes Fleisch … Eine Haut wie poliert – er hatte sie schon am Nil in dem Badeanzug bewundert. Aber da waren die Brüste vom engen Stoff umschlossen gewesen, jetzt lagen sie bloß unter dem Khakihemd, nicht eingeengt … eine Gesundheit, deren Ausstrahlung er spürte und die ihn erregte. Sie sagte:
»Kommen Sie mit?«
»Natürlich.«
»Ohne sich von Leila die Erlaubnis zu
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