Die Schöne vom Nil
orientalischem Rankenwerk bemalt. Nur wer genau hinsah, erkannte, daß es in sich verschlungene stilisierte Frauen- und Männerkörper waren.
Pernam grinste, als Luisa die Einladung Sulimans kurz betrachtete. »Erkennen Sie's?« fragte er, als Luisa schwieg.
»Was?«
»Die Malerei!«
»Blumenranken …«
»Frank, klären Sie die junge Dame doch einmal auf …«
Mitchener nahm Luisa den Brief aus der Hand, ehe sie sich näher mit dieser Rankendekoration beschäftigen konnte. Er steckte die Einladung in die Tasche und winkte ab.
»Luisa, meine jungen Herren sind geile Böcke! Die Archäologie hat sie völlig verdorben. Erweisen Sie mir die Ehre, mit Ihnen zu Abend zu speisen? Unser Koch hat einen köstlichen Lammrücken zubereitet …«
»Erst möchte ich die Inneneinrichtung des Labors fertig aufgebaut haben, Professor.«
»Wenn wir alle mithelfen und weniger quatschen, ist das in zwei Stunden geschehen. Genau die richtige Zeit für ein knuspriges Lamm mit Rotwein! Meine Herren, an die Arbeit …«
Irgendwann beim Aufstellen der Destilliergeräte trafen Frank und Luisa wieder allein zusammen.
»Sie haben kein Kleid für die Party?« fragte er. »Vielleicht kann Ihnen Leila eines leihen.«
Zunächst verschlug es ihr die Stimme, aber dann fauchte sie ihn an: »So etwas können auch nur Sie vorschlagen! Nur Sie! Eher gehe ich nackt!«
»Das wäre allerdings der Höhepunkt der Party! Suliman würde verrückt spielen. Ein naturblondes Mädchen …«
»Woher wissen Sie, daß ich naturblond bin?«
»Ihr Haaransatz verrät, daß Sie sich die Haare nicht färben. Außerdem ist ihre Haut mit einem Flaum weißblonder Härchen überzogen. Vor allem an den Unterarmen und …«, er zögerte, sagte es dann aber doch: »Und an den Beinen und Schenkeln …«
»Was Sie so alles wahrnehmen!«
»Sie standen ja in Ihrem Badeanzug lange genug über mir!«
»Das sollten Sie doch vergessen …«
»Ich bemühe mich auch angestrengt, aber es gelingt mir nicht. Es ist eben sehr anstrengend …«
Er ließ sie neben ihrem Gerüst mit Glasschlangen, Kolben und Trichtern stehen und verließ das Laborzelt.
Draußen, in der Nacht, stand Toc-Toc, nicht, um die Sterne zu bewundern, sondern um die Soldaten zu beobachten. Sie hatten auf dem mitgebrachten Propangasofen einen großen Kessel voll Couscous gekocht, dazu Hammelstücke und eine Pfeffertunke. Wie in alten Zeiten saßen sie jetzt um den Kessel herum und griffen mit den Händen in den Couscous, rollten die Körner zu einem Bällchen, tauchten diese in die Tunke und legten die Klößchen dann auf die Hammelstücke. Dazu tranken sie dampfenden, mit Minzblättern gewürzten Tee. Die drei Hubschrauber waren bei Einbruch der Dunkelheit nach Kairo zurückgeflogen.
»Warum sind diese Leute hier?« fragte Toc-Toc leise, als sich Herburg neben ihn stellte.
»Ich weiß es nicht recht. Vielleicht glaubt man in Kairo, daß das Grab des Menesptah ein ähnlich bedeutender Schatz ist wie seinerzeit Tut-ench-Amun.« Dr. Herburg blickte Toc-Toc nachdenklich an. »Du hast damals gesagt, Toc-Toc, du hättest ›gesehen‹, wo die Grabanlage ist. Wir haben uns nie ernsthaft darüber unterhalten, wir waren alle so verrückt vor Freude, daß wir das ganz vergessen haben. Toc-Toc – was heißt das: Ich habe gesehen …?«
»Warum darüber sprechen, Dr. Herburg?« antwortete der Fellache ausweichend.
»Dann eine andere Frage: Wir haben vierzehn Monate lang vergeblich versucht, die Anlage zu finden. Und plötzlich sagst du: Da liegt sie … und sie liegt wirklich da! Warum erst jetzt und nicht schon vor vierzehn Monaten?«
»Ich weiß es doch nicht, Dr. Herburg. Es war eben plötzlich da …«
»Was war da?«
»Das andere.«
Toc-Toc blickte hinüber zu dem gewaltigen Klotz der Stufenpyramide. Der Mondschein lag wie eine Haube auf der oberen Plattform.
Hatten dort, vor über 5.000 Jahren, einmal Priester gestanden und die Götter der Nacht angebetet? Was wußte man, trotz aller gelehrten Werke und Forschungen, wirklich von jenen Tagen, in denen Könige über Ägypten herrschten, die ›Söhne der Götter‹ genannt wurden? Als man in Europa noch mit Steinbeilen in den Urwäldern auf die Jagd ging, nahmen hier die Priesterärzte schon Schädelbohrungen vor, machten Blasensteinschnitte, operierten Tumoren aus dem Bauchraum und amputierten Gliedmaßen mit einer wahren Kunstfertigkeit.
»Was ist das andere?« fragte Herburg von neuem. »Ich lache dich nicht aus, Toc-Toc, das weißt du. Ich
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