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Die Schöne vom Nil

Die Schöne vom Nil

Titel: Die Schöne vom Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nehme das alles sehr ernst. Es gibt Menschen, die in andere Welten zurückkehren können, ich kann dir da eine ganze Menge von Beispielen nennen. Du bist nicht der einzige, Toc-Toc …«
    »Aber ich habe Angst davor, Dr. Herburg …« Der Fellache blickte wieder auf die oberste Plattform der Djoser-Pyramide. Der Mondschein umfloß wie Silber die gewaltigen Quadersteine.
    »Es ist so: Ich sitze da, schließe die Augen, es ist ganz still um mich, ich höre nichts mehr, ich kann meine Augen nicht mehr öffnen … Und dann … Dann stehe ich plötzlich vor mir! Ich sehe mich da sitzen, aber ich sitze nicht mehr auf einem Stein dieses Geländes von Sakkara, sondern an der Mauer eines Palastes, ein müder Händler, der sich zu einem kurzen Schlaf in den Schatten gesetzt hat. Um mich herum sind Tausende von Menschen, die mich grüßen. Sie kennen mich alle, und sie fragen mich, was man gegen Magendrücken tun kann oder gegen ein eitriges Geschwür im Nacken … Ich bin plötzlich ein Arzt, Sir, verstehen Sie das? Arzt in einer Welt, die es nicht mehr gibt, aber in der ich jetzt – außerhalb meines anderen Körpers – plötzlich lebe! Und da wußte ich genau, wo man die Grabanlage des Menesptah gebaut hatte … dann heulte ein Schakal, ich wachte auf und saß wieder auf einem Stein in Sakkara.« Toc-Toc legte seine Hände flach gegen seinen Brustkorb. »Sir, ich habe Angst, daß alles immer wiederkommt …«
    »Wie oft warst du schon ›außer dir‹, wie du es nennst?«
    »Vielleicht neunmal – bisher, Sir.«
    »Warst du immer in derselben Zeit, in derselben Stadt? Immer bei den gleichen Leuten …?«
    »Nein. Immer woanders. Einmal war ich in einem seltsamen Land. Riesige Wälder gab es da, Sümpfe, aus denen das Wasser vor Hitze dampfte. Als ich aufwachte, hatte ich nur noch einen Namen behalten. Ich habe ihn aufgeschrieben …«
    Toc-Toc griff in seine Hosentasche und zog dabei einen unglaublich schmutzigen Zettel hervor. Ungelenk las er vor: »Tolteken …«
    »Das gibt es doch!« sagte Herburg mit belegter Stimme. »Die Tolteken waren die Ureinwohner von Mexiko …«
    »Was ist Mexiko, Sir?«
    »Ich erzähle dir später einmal davon, Toc-Toc. Und wenn du wieder ›außer dir‹ gewesen bist – erzählst du es mir dann?«
    »Nur Ihnen, Sir. Und ich brauche keine Angst zu haben?«
    »Gar keine.« Herburg klopfte dem Fellachen freundlich auf die Schulter. »Du wirst immer wieder nach Sakkara, zu uns, zurückkommen.«
    Frank Herburg ging in die Chefbaracke, legte sich dort auf sein Feldbett und starrte gegen die Holzbretterdecke.
    Der Hitze wegen hatte man die Baracken mit doppelten Dächern gebaut, mit einer dazwischenliegenden Luftschicht, die wie eine Sperre wirkte. Nebenan hörte Herburg den Assistenten Mr. Polski rumoren.
    Der junge Mann mit dem unaussprechlichen Namen war ein Wissenschaftler mit großer Zukunft, aber er war verstrickt in ein namenloses Heimweh nach dem Land seiner Väter. Sooft er konnte und es die Verhältnisse im Äther zuließen, holte er über Kurzwelle seines Transistorgerätes die Sender Warszawa oder Krakow in sein heißes Barackenzimmer in der Totenstadt. Dann saß er vor seinem Radio und hatte nasse Augen. Wenn er besonderes Glück hatte, empfing er sonntags eine Messe aus irgendeiner polnischen Kirche …
    Dann weinte er, sang die Choräle mit und küßte eine silberne Nachbildung der Schwarzen Madonna von Czestochowa, die er stets an einer massiven Silberkette um den Hals trug. Jetzt schien er endlich einen der gesuchten Sender bekommen zu haben. Musik klang durch die dünne Holzwand: ein Walzer von Chopin. Es war möglich, daß Mr. Polski wieder auf seinem Bett saß und weinte.
    Es klopfte an Herburgs Tür. Bevor er noch antworten konnte, trat Dr. Abdullah ibn Hedscha in den Raum. Er lächelte und setzte sich in einen der wackeligen Korbsessel. Er trug eine schneeweiße Djellabah und ein Kopftuch. Obwohl er Ägypter war, zeigte er immer, daß er arabischer Abstammung und seine Heimat das Land des Propheten war.
    »Wir warten mit dem Essen auf Sie!« sagte er. »Der Lammrücken duftet wirklich verführerisch. Alle sitzen schon am Tisch, bis auf Mr. Polski und Sie …«
    »Der hört Chopin! Das kann ihm kein Lammrücken ersetzen.«
    »Was ist los zwischen Ihnen und Leila? Ich habe sie gefragt – da hat sie die Fäuste geballt und gegen die Wand geschlagen! Ich hielt es für klüger, nicht weiterzufragen …«
    »Wir waren heute am Nil, Abdullah. Ich versichere, ich habe unsere

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