Die Schöne vom Nil
davon.
Salimah war plötzlich da, war Herrin des Hauses, war Mittelpunkt aller Feste, freundete sich auch mit Leila an und hörte tatsächlich andächtig zu, wenn Dr. Herburg von seiner Heimat erzählte.
Sie mußte irgendwoher aus der tiefsten Wüste stammen, sie hatte noch nie Schnee gesehen und wußte auch nicht, was das ist. Als Herburg ihr einmal erklärte, es sei gefrorenes Wasser, das vom Himmel falle, lachte sie hell, als erzählte er ein fröhliches Märchen. Erst als er ihr Fotografien aus den Alpen zeigte, glaubte sie ihm. »Eine Welt aus weißem, gefrorenem Wasser – das muß schön sein …«, hatte sie einmal gesagt. »Ich möchte sie kennenlernen.«
Sie lernte diese Welt nie kennen, denn Suliman nahm sie auf seine Europareisen nicht mit. Dafür erkannte er aber an, daß sie sein Haus repräsentierte, als sei sie seine Frau. Wenn er aus Marbella oder St. Tropez zurückkam, umarmte er Salimah und meinte ehrlich: »Es gibt keine Schönere als dich! Ich habe keine gefunden, meine Rose.«
»Und wenn du einmal eine findest?« fragte sie dann und spielte mit dem goldenen Medaillon auf seiner behaarten Brust.
»Dann sage ich es dir.«
»Und dann …?«
»Du wirst nie Hunger haben, bis du einen anderen Mann gefunden haben wirst.«
»Und wenn … wenn ich jetzt schon einen habe?«
»Ich brächte dich um, mein Stern …«
»Du könntest mich wirklich töten?«
»Ja, das könnte ich.« Es klang so ehrlich und echt, daß man nicht mehr darüber debattieren konnte. »Mit aller Grausamkeit, die in mir steckt!« Er hatte sie mit seinen schwarzen Augen angesehen – mit einem Blick, der ihr Herz spaltete und den sie nie mehr vergaß. »Niemand ahnt, wie grausam ich sein kann.«
»Ich glaube, ich spüre es«, hatte Salimah damals leise geantwortet. Aber später, in seinen Armen, war ihr seine trunkene, ihren Körper fast zerbrechende Grausamkeit nicht grausam genug – da übertraf sie ihn noch …
Am Morgen danach sah Suliman aus, als sei er in einen Teich mit Raubfischen gefallen. Zerbissen, zerkratzt, zerschunden …
Von dieser Nacht an war Salimah die alleinige Herrin des Hauses.
»Jetzt können wir unmöglich verschwinden«, wiederholte Herburg und ergriff Leilas zitternde Hand. »Salimah hat uns schon erspäht. Aber ich werde aufpassen. Toc-Toc beginnt, mir unheimlich zu werden …«
Es nutzte Herburg nicht viel, daß er sich mit Leila immer in Salimahs Nähe aufhielt. In dem Gewühl der Gäste war eine Übersicht kaum mehr möglich. Aber – was sollte passieren? Von wem?
Wer hier bei Suliman ibn Hussein feierte, hatte doch kein Interesse an der Mumie eines Kind-Königs aus der dritten Dynastie …
Es geschah so plötzlich, wie es Toc-Toc vorhergesehen hatte.
Eine hübsche Sängerin hatte Lieder und Chansons aus amerikanischen Musicals gesungen, Diener reichten immer wieder auf großen silbernen Tabletts Cocktails und Champagner herum, Harris Pernam schlich umher und erzählte allen, er habe einen Blick in das Haus getan – es seien Tänzerinnen da, von deren Schönheit man begeistert sein würde.
Dr. Luisa Alius saß in einem großen Kreis von vorwiegend jüngeren Männern und erzählte von seltsamen Ereignissen, die mit Gift zusammenhingen; Suliman und seine Salimah hatten sich den Ochsen angesehen, der außerhalb der Terrasse an einem riesigen Spieß über einem offenen Feuer gedreht wurde und schon einen köstlichen Bratengeruch verbreitete. Man wußte, daß dieser Ochse später gestürmt werden würde …
Auch das kannte man: Jeder männliche Gast bekam ein scharfes Messer in die Hand und eine Plastikschürze vor den weißen Smoking gebunden … Nach einem Fanfarenstoß stürzten sich alle brüllend auf den gebratenen Ochsen und stießen ihre Messer hinein wie die Kannibalen. Man zerfleischte und zerriß das Tier, man hieb immer wieder die Messer in den braungebratenen Ochsen … Es war eine Entladung von Aggressionen, die die Menschen entlarvte …
Nach dieser Orgie wurde es dann meistens stiller, als habe sich jeder voller Entsetzen selbst erkannt. Die ersten fuhren danach schon nach Hause.
Aber soweit war es noch lange nicht.
Suliman stellte gerade fest, daß der Ochse in frühestens einer Stunde sturmreif war …
Vorher also noch das Ballett …
Aber die Tänzerinnen kamen nicht zu ihrem Auftritt.
Durch den Garten fegten plötzlich, aus dem Dunkel auftauchend, vermummte Reiter.
Sie sprengten mitten durch die Blumenrabatten, übersprangen mit ihren schnellen Pferden die
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