Die Schöne vom Nil
Wassergräben, durchrasten die künstlichen Teiche, zerstampften die herrlichsten Anlagen und ritten brüllend und in die Luft schießend auf die Terrasse zu.
»Attacke!« brüllte der alte britische Oberst begeistert. Er lehnte betrunken an der Hauswand, zwirbelte seine Backenbärte und war mit einem Mal hellwach. »Die ganze Schwadron – Lanzen gefällt!« schrie er den Reitern entgegen.
Auch die anderen Gäste auf der Terrasse, am kalten Büfett und auf der Tanzfläche waren begeistert. Sie klatschten Beifall. Eine arabische Fantasia, quer durch die herrlichen Anlagen – eine tolle, eine grandiose Idee, wie sie sich nur ein Suliman ibn Hussein leisten konnte. Die Neuanlage oder Reparatur des Parks mußte einiges kosten …
Wie diese wilden vermummten Reiter jetzt im Licht der Gartenscheinwerfer herangaloppierten, war es für alle ein unvergeßliches Bild. Es war eine Erinnerung an die Reiterscharen des Mahdi, an die großen Schlachten Mohammeds vor Medina … ein Erschauern vor urweltlichen Gewalten.
Kurz vor der Terrasse zog sich die Reiterschar zu einer breiten Front auseinander. Und jetzt erkannte auch jeder der Gäste, daß die vermummten Reiter die Läufe ihrer modernen Schnellfeuergewehre nicht mehr in den sternenübersäten Nachthimmel hielten, sondern direkt auf die weißen Smokingjacken und Abendkleider …
»Lanzen fällt!« schrie der betrunkene Oberst und schwankte auf die Truppe zu. »Gaaaaalopp!«
Nur eine Sekunde lang lag eine lähmende Stille zwischen Reitern und Gästen. Dann fiel der erste Schuß … vom Haus her, wo Sulimans Diener plötzlich herausstürzten, ebenfalls schon bewaffnet. Sie gingen hinter jedem sich eignenden Gegenstand oder Möbelstück in Deckung.
Was nun folgte, war ein kurzes, aber gründliches Chaos.
Die Damen schrien auf und rannten ins Haus, die Männer in den Abendanzügen hoben die Hände hoch – das Klügste, was sie in einer solchen Situation tun konnten.
Die Reiter schossen aus den Sätteln auf die Dienerschaft, ein Teil sprang ab und stürmte die Terrasse. Zwei junge Herren, Gäste aus Kairo, sanken zusammen, und ihre Hemdbrüste färbten sich rot.
Suliman und Salimah, die noch bei dem bratenden Ochsen gestanden hatten, warfen sich ins Gras. Suliman lag halb über seiner Geliebten, umklammerte ihre nackte Schulter und sagte immer wieder mit heiserer Stimme: »Ruhig! Ganz ruhig, meine Rose. Sie sehen uns nicht, wir liegen im Schatten. Ganz, ganz ruhig! Bewege dich nicht, mein Stern …«
Auch Frank Herburg und Leila hatten sich hingeworfen.
Sie lagen hinter der Gartenbar und erschraken, als noch jemand heranrobbte und sich fallen ließ – aber es war Harris Pernam.
»Wenn sie jetzt in die Flaschen über uns schießen«, sagte Pernam kaltblütig, »liegen wir im schärfsten Cocktail, der je gebraut wurde. Frank, was soll das? Was halten Sie davon?«
»Ich weiß es wirklich nicht …«
Er dachte immerfort an Toc-Tocs seherische Worte: Verlaßt die Party vor dem Ballett …
»Die schießen wirklich scharf«, sagte Pernam.
»Dazu sind sie ja gekommen. Köpfe runter …«
Eine neue Serie von scharf bellenden Schüssen zerriß die Luft.
Irgendwo brüllten ein paar Verwundete, Damen schrien, die Herren rannten jetzt mit hocherhobenen Händen in eine Ecke der Terrasse – anscheinend hatte jemand gewunken, und alle folgten.
In aller Augen stand Todesangst. In einer Ecke – alle zusammen –, das konnte heißen: Jetzt schießt man in den Haufen und trifft alle …
Aber dann war es, als sei alles nur eine plötzliche wilde Fantasie gewesen:
Die vermummten Reiter rannten zurück zu ihren Pferden, die schon Aufgesessenen jagten noch einen letzten Feuerstoß über die Terrasse – und dann sprengte die ganze Kavalkade durch den Park zurück und verschwand in der schwarzen Dunkelheit.
Zurück blieben ein zertrümmerter, zerschossener Riesentisch mit einem Durcheinander von Speisen des kalten Büfetts und Porzellantrümmern, schreiende Damen, umhertaumelnde Herren und ein paar Körper, die sich nicht mehr regten. Auf den geschliffenen Marmorplatten der Terrasse hatten sich mehrere Blutlachen ausgebreitet. Und zurück blieb der total verwüstete Park mit seinen herrlichen Anlagen.
Herburg, Leila und Harris erhoben sich hinter der Gartenbar, als die Gefahr vorbei war. »Jetzt einen dreistöckigen Whisky!« meinte Pernam trocken und griff nach einer Flasche. »Sulimans Partys werden mir zu aufregend. Ich fahre mit Luisa nach Hause … Himmel – wo ist denn
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