Die schoenen Hyaenen
Blick zu Mary Jane sagen würde. Angesichts der Vorurteile seiner Eltern, die ihn schon als Kind gelehrt hatten, daß man auf Juden, Italiener und Iren herabzusehen hatte, von Schwarzen ganz zu schweigen, sprach schon Mary Janes Herkunft gegen sie. Halb Irin, halb Jüdin. Sam stellte sich die geringschätzige Miene seiner Mutter vor, das erzwungene Lächeln, das die Augen nie erreichte. Nein, Mary Jane würde vor seinen Eltern keine Gnade finden.
Doch in Mary Jane hatte Sam einen Menschen gefunden, mit dem er reden konnte. Sie hatte nichts gemein mit den egoistischen Schönen, mit denen er sich sonst zeigte. Mary Jane hörte zu, sie ging auf seine Probleme ein, war warmherzig und liebevoll und beeindruckte ihn durch ihre absolute Ehrlichkeit. Sam stöhnte. Ja, Mary Jane war grundehrlich, und er wertete Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe hoch, obgleich er sich in letzter Zeit weder um das eine noch das andere bemühte. Vor drei Jahren verkörperte Mary Jane die Antwort auf Sams Probleme. Das durfte er nicht vergessen, auch wenn es nur mit banalem Sex begonnen hatte. Mary Jane war leidenschaftlich und wußte, was ihm gefiel. Sie half ihm auf die Beine durch ihr Wesen und ihr schauspielerisches Talent. Zudem rührte es ihn tief, wie sehr sie ihn liebte.
Mary Jane verlangte nichts, gab jedoch alles. Dieses Ungleichgewicht störte ihn zwar, doch er hinterfragte es nicht. Einige Ausrutscher hatte er sich dennoch geleistet, indem er mit dem einen oder anderen Mädchen geschlafen hatte. Er hatte es gut gefunden, mitunter sogar sagenhaft gut. Doch er kehrte stets zu Mary Jane zurück. Dabei hatte er ihr nie etwas versprochen. Nichts. Doch sie schlich sich in sein Herz. Er gewöhnte sich an, bei ihr zu wohnen, weil sie es gemütlich hatte, weil sie stets ein Essen für ihn bereithielt, weil sie seine Wäsche wusch und bügelte. Bei ihr konnte er wieder zu sich selbst finden und seine Wunden lecken. Ihr Übergewicht hatte etwas Mütterliches. Zudem glaubte sie an ihn, wie das seine dürre, schöne, hartherzige Mutter nie fertiggebracht hatte. Mary Janes Glauben und ihre künstlerische Begabung hielten Sam über Wasser. Sie arbeiteten den Tag über intensiv an den Proben für Jack and Jill, Abends trösteten sie sich gegenseitig. Wahrscheinlich war Mary Jane die einzige und erste Frau, die Sam je wirklich geliebt hatte. Obwohl er von der Ehe eigentlich nichts mehr wissen wollte, geriet er oft in Versuchung, Mary Jane zu heiraten.
Mary Jane brachte ihm Glück. Als das Stück einschlug, erhielt sie überschwängliche Kritiken. Sie zog die Massen an. Es wurde nötig, in ein größeres Theater umzuziehen. Auszeichnungen regneten auf sie herab. Beste Schauspielerin, bestes Stück, bester Regisseur.
Statt sich vor seinem vierzigsten Lebensjahr die Pulsadern aufzuschneiden, schmiedete Sam neue Pläne. Er flog an die Westküste und machte einen Film.
Doch Hollywood dachte gar nicht daran, sechzehn Millionen Dollar in einen Film zu investieren, dessen Hauptrolle mit einer unbekannten, unattraktiven Schauspielerin besetzt wurde, obwohl die Rolle gerade dieses Aussehen verlangte.
Crystal Plenum zeigte sich an der Rolle interessiert. Wenn sie sie spielte, brachte der Film Geld ein. Darum mußte Sam klein beigeben. Er konnte sein Versprechen Mary Jane gegenüber nicht halten. Und wen nervt es nicht, wenn ihm ständig ein treuer Hundeblick folgt, der ausdrückt: »Ist schon okay, du kannst ruhig nach mir treten, das bin ich gewöhnt.«
Sam ahnte, daß Mary Jane unheimlich sauer auf ihn war. Doch das sagte sie nicht. Es stellte die einzige Unehrlichkeit dar, bei der er sie je ertappt hatte. Sie fand sich mit der Tatsache ab. Ende. Ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter hatte ja auch ganz normal geklungen. Ein Segen, daß er ihr nie einen Heiratsantrag gemacht hatte.
Der Anrufbeantworter meldete sich wieder: »Hier spricht Sy Ortis von Early Artists, der Anruf betrifft Mr. Shields. Bitte rufen Sie mich in Los Angeles unter 555-0111 an.«
Sam staunte. Sy Ortis rief ihn persönlich an. Wenn das erst bekannt wurde! Sy Ortis galt als Topshot in L.A. Sam notierte die Nummer.
Die letzte Nachricht war von April Irons, Sams Agentin. Sie meldete sich nie mit Namen. Das hatte sie nicht nötig. »Hallo, mein Großer — ich meine dein Ding, wenn ich das sage. Hoffentlich hattest du einen guten Flug. Ruf mich an.«
Trotz April Irons, trotz all der anderen liebte Sam Mary Jane. Er hoffte sehr, daß sie ihn nach Los Angeles begleitete. Obwohl er sich
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