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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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ganz geheuer, und so fand ich es sicherer, mich auf ungefährlichem Terrain zu bewegen, bis ich nach überstandenen vier Gängen zur Tür hinausrollen würde.
    »Ich glaube kaum«, räusperte ich mich schließlich, »dass ich hier in der Position derer bin, die heikle Fragen stellen darf.«
    Sie schwenkte ihr Weinglas und lächelte zum ersten Mal an diesem Abend. »Meinen Sie, ich bin in dieser Position?« Und es hatte etwas geradezu Kokettes, wie sie das sagte. Ich konnte mir plötzlich vorstellen, wie sie mit ihrem Mann in einem netten französischen Restaurant saß – und französische Küche mochte sie bestimmt, bei all den köstlichen Leckereien, die sie hier aufgefahren hatte. Ich stellte mir vor, sie säßen in einer kleinen Nische, die von Liebespaaren bevorzugt wurde, hielten sich an den Händen und warfen sich zärtliche Blicke zu. Wenn der Ober kam, flirtete er jedes Mal ein bisschen mit ihr, worauf sie charmant und kokett einging – ebenso wie sie jetzt gerade gelächelt hatte: Es handelte sich dabei um nichts, was sie wirklich ernst nehmen würde.
    »Wo ist Lenas Vater?«, fragte ich also, und als ich ihr Gesicht sah, wusste ich sofort, dass dies tatsächlich etwas Heikles war.
    »Wir leben getrennt«, antwortete sie sachlich. Der Ansatz des Lächelns, das mich zu dieser dummen Frage verleitet hatte, war in Sekundenschnelle verschwunden. »In drei Monaten ist der Scheidungstermin.«
    »Oh«, sagte ich mitfühlend und nickte wissend. In Wahrheit fühle ich mich beim Thema Scheidung immer ganz ähnlich wie bei der Erwähnung von Beerdigungen. Ich weiß nie so genau, ob von einem uralten, ewig meckernden und unbeliebten Nachbarn oder einem innig vermissten Freund die Rede ist. Und dann sage ich leicht irgendetwas Dummes.
    »Meine Eltern sind auch geschieden«, sagte ich deshalb. Denn emotionales Verständnis wird bekanntlich durch persönliche Betroffenheit bestärkt. Und aus irgendeinem Grund wollte ich plötzlich, dass Angela Rose glaubte, ich würde sie verstehen.
    Sie schob einen Bissen auf ihrem Teller herum, mehrmals durch die Soße, und sah mich auch da nicht an, als sie leise sagte: »Ja. Die Kinder leiden sehr darunter.« Diese Aussage enttäuschte mich ein wenig. Aber natürlich musste sie mich auch für ein »Kind« halten. Immerhin war ich eine Freundin ihrer Tochter. Und was mir zum Thema Scheidung als Erstes einfiel, waren meine Eltern. Aus eigenen Erfahrungen konnte ich ja schwerlich schöpfen.
    »Hatte Ihr Vater auch eine andere?«, fragte sie und sah mich entsetzt an. »O Gott, bitte entschuldigen Sie! Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«
    »Kein Problem«, erklärte ich großzügig. »Meine Mutter hat auch immer alle Geschiedenen gelöchert, warum die große Lotterie bei ihnen daneben gehauen hat.« Michelin, du Idiotin! Etwas Schmeichelhafteres hättest du jetzt nicht sagen können! Sie vertraut sich dir geradezu an, und du vergleichst sie mit deiner eigenen Mutter! Wie scheußlich.
    »Nett, dass Sie dem Ganzen etwas Humor abgewinnen können«, kommentierte Angela Rose prompt meinen dümmlichen Gesichtsausdruck.
    Die nächsten Minuten aßen wir schweigend.
    Ich bekam kaum noch einen Bissen herunter, obwohl es köstlich war. Aber ich erwartete jeden Moment, dass sie aufspringen und mich hinauswerfen würde.
    »Darf ich Sie mal etwas fragen?«, begann sie unser erschlafftes Gespräch mit dem nächsten Gang wieder.
    Ich vermutete, dass es sich nur um etwas Unangenehmes handeln konnte, nickte aber trotzdem. Jede Weigerung hätte sicher nur wieder ihr Misstrauen geweckt.
    »Wie alt sind Sie?«
    Das war eine einfache Frage. Aber die Antwort war mir irgendwie unangenehm.
    »Nicht mehr ganz neunundzwanzig«, sagte ich daher.
    Frau Rose nahm einen Schluck Wein, um genau zu sein, einen großen Schluck Wein.
    »Dreißig.« Es klang, als hätte sie ›Kinderschänderin‹ gesagt. Oder glaubte ich das nur zu hören? Waren es meine verqueren Gedanken, genarrt durch die Skepsis einer Horde von besorgten Freundinnen, die allesamt weissagten, eine Liebesbeziehung zu einer Neunzehnjährigen könne bestenfalls in die Hose gehen – und zwar wortwörtlich.
    »Ja«, sagte ich.
    »Und wie läuft es so in Ihrem Job. Ich meine, verdienen Sie gut?«
    »Frau Rose, also, ich weiß nicht … Ich will Ihre Tochter doch nicht heiraten.«
    Sie ließ ihre Gabel, zu einem Bissen erhoben, wieder auf den Teller sinken.
    »Nicht?«
    Wir blickten uns gleichermaßen verstört an. Dann fuhr sie fort: »Nein,

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