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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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Absicht.«
    »Das wär ja auch noch schöner«, murmelte Lena und sah verlegen auf ihre Hände. »Es ist mir so dermaßen unangenehm, dass meine Mutter dir jetzt dieses Essen aufgezwungen hat. Mannomann, was habt ihr nur die ganze Zeit geredet?«
    »Oh, da gab es keine Probleme!«, beteuerte ich und gedachte der letzten halben Stunde. »Es war einfach nur … überraschend, ja, überraschend.«
    Lena seufzte. »Weißt du, ich hasse solche Situationen eigentlich. Und genau deshalb hatte ich Mama auch um diesen Abend gebeten. Ich muss es ihr unbedingt bald sagen …«
    »Was denn?«
    »Dass ich ausziehen werde. Ich habe eine Wohnung in Aussicht.«
    »So, so«, meinte Frau Rose, die plötzlich in der Tür erschien. Sie sah auf Lena hinab, die sich bemühte, nicht allzu erschrocken dreinzuschauen. Ich betrachtete das Muschelmuster der Servietten. Es war mir äußerst unangenehm, der Verwandlung Lenas von einer wunderschönen jungen Frau in eine Tochter mitanzusehen. »Und eben weil du mir das sagen wolltest, hast du dann im letzten Augenblick doch noch gekniffen?«
    »Ach, Mama!«, stöhnte Lena.
    Ich sah die beiden abwechselnd an. Auch mit Frau Rose war eine kaum merkliche Veränderung vorgegangen, seit Lena hereingeschneit war. Es war, als sei sie von einer Rolle in die andere geschlüpft. Zurück in die Mutterrolle, die sie zwar perfekt beherrschte, die ihr aber, so fand ich plötzlich, gar nicht so gut stand. Ich mochte sie lieber so, wie sie gerade noch gewesen war, nach drei Gläsern Wein, einem hervorragenden Essen und in Gesellschaft einer einfühlsamen Gesprächspartnerin. Doch so wie die beiden sich nun gegenseitig musterten, bestand die Aussicht auf einen erneuten Rollenwechsel in die mir angenehmen Figuren gewiss nicht.
    Ich räusperte mich, und sie unterbrachen ihr Blickemessen, um mich erwartungsvoll anzusehen.
    »Ich werd jetzt besser gehen«, sagte ich und hoffte, der Höflichkeit damit Genüge zu tun. Zwischen Mutter und Tochter zu schlichten, lag mir weiß Göttin nicht im Blut.
    Lena und ich standen gleichzeitig auf, und wir gingen alle zur Wohnungstür.
    »Das war ein super Essen, Frau Rose. Ganz herzlichen Dank dafür. Falls Lena Sie mal wieder im Stich lassen sollte, rufen Sie mich an.«
    Frau Rose lachte leicht, und für einen Augenblick schimmerte ihr anderes Ich durch, zu mir herüber. »Ich komme darauf zurück. Auf Wiedersehen!«
    »Wiedersehn.«
    Sie wandte sich um und verschwand über den Flur in einem der Zimmer. Lena stand verlegen in der Tür.
    »Tut mir wirklich leid, Michelin.« Sie grinste schief. »Weißt du eigentlich, dass du einen tollen Namen hast? Ich meine, Michelin Schwarz, da kommen einem schon die tollsten Assoziationen.« Ich sah sie wie ein hypnotisiertes Kaninchen an und dachte: ›Bitte sag das jetzt nicht! Bring bitte nicht diesen abgeschmackten Witz über meinen Namen!‹, als sie schon den Mund öffnete und sagte: »Unsere nächste Verabredung verschlampe ich ganz bestimmt nicht. Ehrenwort. Wie wäre es mit übermorgen? Ist ja Pfingsten, und im Park gibt es ein kleines Konzert. Wir könnten auf der Wiese sitzen und …?!«
    Und? Ich schluckte unauffällig.
    »Oder wir fahren einfach ein bisschen rum – mit einem echt heißen Reifen …«
    Als ich langsam die Treppe hinunterging, hatte ich noch ihr helles Lachen im Ohr.

F ÜNFTES K APITEL
Von Schafen in Wolfspelzen
    W as brauchte ich eigentlich eine Alm? Ich konnte doch den Himmel haben.
    Der Samstagabend, den Lena und ich im Park verbrachten, war so wunderschön, dass ich den kompletten Sonntag einige Zentimeter über dem Boden schwebte. Ich gedachte mit Mitleid der vielen hundert Frauen, die zum alljährlich zu Pfingsten stattfindenden Lesbenfrühlingstreffen pilgerten. Ellen, Jackie, alle meine Freundinnen waren dorthin unterwegs. Aber ich hatte Besseres vor, denn bereits am Pfingstmontag hatte ich eine weitere Verabredung zum Kino …
    Leider, das muss ich so sagen, war auch Nancy mit von der Partie und wäre beim Plätzeverteilen tatsächlich fast zwischen Lena und mich geraten, hätte ich nicht geistesgegenwärtig gehandelt und mich in den Sessel neben Lena geworfen. Mir egal, wenn das womöglich etwas gewollt aussah. Es war sowieso an der Zeit, Lena eindeutig darauf hinzuweisen, dass ich an ihrer Gesellschaft mehr als freundschaftlich interessiert war.
    Diese entscheidende Tatsache schien sie nämlich entweder noch nicht registriert zu haben, oder sie war tatsächlich noch schüchterner, als ich geglaubt

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