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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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losging. Aber ich wollte es anders machen als meine Mutter, besser! Ich habe Lena immer das Gefühl gegeben, gewollt und erwünscht zu sein. Ich möchte ihr das Gefühl heute immer noch geben. Deswegen nehme ich mir Zeit für sie …« Sie hielt inne und sah auf die hübsch angerichteten Platten und dampfenden Schalen, die einladend auf dem Tisch standen und warteten. Sie warteten auf Lena, die vermutlich nicht mehr rechtzeitig kommen würde. Ihr kampfbereiter Blick brach mit einem Male. Sie fuhr sich mit einer Hand durch ihren Pony.
    »Was müssen Sie jetzt von mir denken?!«, murmelte sie, vielleicht eher zu sich selber.
    Sie tat mir plötzlich leid, wie sie da stand und auf die liebevoll zubereiteten Speisen starrte, die so gleichgültig verschmäht wurden. Ich wollte sie gerne aufmuntern, ihr zeigen, dass ich auf eine menschliche Weise Interesse an ihr hatte.
    »Was für eine Karriere war das?«, fragte ich, gewiss nicht sicher, ob das die richtige Frage war.
    »Bitte?« Angela Rose sah mich an, als sei sie gerade aus einer Hypnose erwacht.
    »Die Karriere, die Sie abbrechen mussten, als Lena geboren wurde. Was waren Sie von Beruf?«
    Der grüne Blick wanderte verwundert über mein Gesicht. Er blieb an meinen Augen hängen, die ich zwingen musste, nicht die Flucht zu ergreifen. Dann zog sie sich einen Stuhl heran.

    Sie erzählte.
    Schauspiel hatte sie studiert. Und sie bestand darauf, dass das etwas ganz und gar anderes war, als in hübschen Kleidern vor Fotografen zu posieren, so wie ihre Mutter, Lenas Oma, es getan hatte. Die Schauspielarbeit war Knochenarbeit. Es war Aufgabe und Hingabe in einem. Sie hatte jede einzelne Rolle geliebt, die sie in der kurzen Zeit, die ihr zur Verfügung gestanden hatte, spielen durfte. Die hochmoralische Emilia Galotti, die lieber stirbt, als der Sünde zu verfallen. Emma, die Kupplerin. Shakespeares Hera aus Wie es euch gefällt , die am Tag ihrer Hochzeit aufgrund von Intrigen des Betrugs bezichtigt wird …
    Ich hörte ihr zu. Nein, ich lauschte ihr, denn sie war eine begnadete Erzählerin. Es machte Spaß, ihren Geschichten in die Vergangenheit zu folgen. Und mit jeder Anekdote, die sie erzählte, wich ein wenig mehr ihrer Distanz von ihr. Irgendwann, nach der Suppe und der Vorspeise und bei Beginn des Hauptganges, stellte ich fest, dass Lenas Mutter mir sympathisch war. Dass sie ihren Traumberuf für ihre Tochter an den Nagel gehängt hatte, war zwar einerseits schade, andererseits sprach es von klaren Prioritäten. Und das fand ich beeindruckend.
    »Sekretärin«, sagte sie. Es klang müde.
    »Doch kein übler Job«, versuchte ich eine Aufwertung.
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein, kein übler Job.«
    Lena hatte ihre vornehme Nase von ihr. Sie war nicht zu schmal und nicht zu breit. Am unteren Ende rundete sie sich ein wenig, ohne zu einer echten Stupsnase zu werden. Ich konnte nicht genug bekommen von dem Anblick dieser Nase. Ja, genauso sah Lenas Nase auch aus. Und Angela Rose hatte nicht einmal besonders viele Fältchen darauf oder drumherum.
    Während wir aßen und unsere Unterhaltung immer entspannter und ausholender wurde, überlegte ich, ob ich sie auf Lena ansprechen durfte. Ich hatte so viele Fragen, die sie mir gewiss mit Leichtigkeit würde beantworten können. Aber Angela Rose kam nicht von selber auf ihre Tochter zu sprechen. Stattdessen fragte sie mich aus über meinen Beruf, über mein Studium, über mein Wohnviertel. Ich erzählte ihr bereitwillig alles und hoffte die ganze Zeit verrückterweise, dass sie einiges davon Lena weitererzählen würde. Was davon würde Lena interessieren, fragte ich mich zum soundsovielten Male.
    »Sie sehen aus, als möchten Sie mich gern etwas Heikles fragen«, stellte Angela Rose in diesem Augenblick fest, und ich verschluckte mich an einem Stück Spargel. Mein Husten ertrug sie mit Gelassenheit, schüttete mir noch etwas Wasser nach und reichte mir ein Stück Weißbrot.
    Unsere bisherigen Themen waren unverfänglich gewesen im Gegensatz zu dem, was mir im Kopf herumging. Ab und zu sprachen wir weder über sie noch über mich, sondern ruhten uns aus bei Geplauder über das Salatdressing, die Vorteile des Dünstens, Preise von Einbauküchen und so weiter. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich das ändern würde. Ich war mir auch gar nicht sicher, ob es gut war, wenn sich das jetzt ändern würde. Natürlich wollte ich eine Menge wissen – über Lena. Aber Lenas Mutter war mir aus einem unerfindlichen Grund nicht

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