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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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zu rasen begann. Sie beeilte sich, mir zu öffnen. Sie beeilte sich. Sie …
    Die Tür wurde aufgerissen: »Kannst du nicht deinen Schlüssel benutzen? Ich hatte grad den Auflauf in der Hand …« Und sie verstummte.
    Wir starrten uns an.
    »Oh, entschuldigen Sie«, sagte sie dann. »Ich dachte, es sei meine Tochter. Kann ich Ihnen helfen?«
    Konnte sie mir helfen? Ja, gewiss konnte sie das. Sie konnte mir ein Glas Wasser und einen Stuhl bringen oder besser: ein Kissen für den Kopf und zwei für die Füße – zum Hochlegen.
    »Kann eine Frau mit dreißig, die nur drei Monate in ihrem Leben die Pille genommen hat, einen Herzinfarkt bekommen?«, hörte ich mich zu meinem eigenen Entsetzen fragen.
    Sie schaute konsterniert. »Ist das eine dieser Umfragen, bei denen ich was gewinnen kann, wenn ich die Antwort weiß?«
    »Oh nein, nein. Ich … entschuldigen Sie, ich habe nur laut gedacht. Ich wollte sagen: Ich wollte eigentlich zu Lena. Wir sind verabredet.«
    Ich konnte sehen, wie in ihrem Gesicht die Jalousie runtergelassen wurde. Sssssssrrt! machte es, und die Schublade mit der Aufschrift ›Penetrante, lesbische Freundinnen meiner unschuldigen Tochter‹ schloss sich mit einem leisen Klack .
    »Das ist merkwürdig«, sagte sie, wobei sie die Tür ein klein wenig wieder schloss. »Ich bin nämlich auch mit ihr verabredet.«
    »Oh, etwa auch um acht?«, fragte ich, ihre unhöfliche Geste großzügig übersehend und sie unverwandt anlächelnd.
    »Um acht.«
    Wir sahen uns durch die halbgeöffnete Tür an.
    Da ich keine Anstalten machte, mich wieder zu verabschieden, dehnte sich dieser Augenblick ungewöhnlich lang aus. Ich spürte, wie ein Kribbeln in mir heraufstieg, wie ein Nieser in der Nase. Wenn ich nichts dagegen unternahm, würde ich mit irgendeiner unangebrachten Formulierung herausplatzen.
    Doch das Schicksal bewahrte mich vor dem Schlimmsten. Frau Rose hob mit einem Ruck den Kopf und sah gehetzt zurück in die Wohnung.
    »Das Soufflé!«, sagte sie. Es klang fast ein bisschen geflucht. Aber natürlich ist ›Soufflé‹ kein Schimpfwort. Dann sah sie mich wieder genervt an und winkte mit der Hand. »Kommen Sie rein. Soll Lena gleich entscheiden, mit wem sie den Abend verbringen will!« Und dieser Satz ließ keinen Augenblick vermuten, dass ich diejenige welche sein könnte.
    Während sie in die Küche rannte und dort am Herd herumwerkelte, von dem aus es wunderbar duftete, stand ich wie ein geprügelter Yorkshireterrier im Flur und versuchte, nicht anwesend zu sein.
    Ich versuchte es beharrlich zu ignorieren, aber die Einsicht drängte sich mir regelrecht auf, dass dies die erste Situation war, in der allein Lenas Anwesenheit in meinem Leben dazu führte, dass ich mich selber wieder wie ein Teenager fühlte. Nicht nur, dass ich mich nachts schlaflos im Bett wälzte und mit weit offenen Augen von ihr träumte. Nein, unberechtigt eingedrungen in den intimen Ort des Zuhauses, der unglückseligerweise bewacht wurde von der Allmacht Mutter, erinnerte ich mich daran, wie es war, höchstens sechzehn zu sein und kaum ein Recht zu besitzen.
    Ich fühlte mich gar nicht wohl in meiner Haut. Viel zu lange hatte ich es nicht mehr mit Müttern zu tun gehabt. Natürlich haben all meine Freundinnen auch Familie, allerdings mit einem recht erwachsenen Standpunkt. Frauen im Alter von Frau Rose kannte ich eigentlich gar nicht. Sie war gewiss eine von diesem unerfreulichen adlerhaften Typ, der der Meinung ist, auch volljährige Töchter müssten noch ein gewisses Maß an Kontrolle hinnehmen.
    Ich tröstete mich damit, mit ihr keinen engen Kontakt pflegen zu müssen, und beschloss, das Beste aus meiner momentanen Situation zu machen: Ich konnte ja zum Beispiel die Gelegenheit nutzen und mich ein wenig umschauen. Hier wohnte Lena also. An der Garderobe hing die kurze schwarze Strickjacke, die sie sich am Samstag nach dem Schwof übergeworfen hatte. Ihr Anblick allein reichte, um mein Herz rascher schlagen zu lassen. Ich spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, hinüberzugehen und in einem unbeobachteten Augenblick verstohlen daran zu schnuppern. Doch das Risiko, von Lenas Mutter dabei ertappt zu werden, schien mir doch zu groß. Schade.
    Weiter hinten im Flur lag ein Paar peppige Turnschuhe quer im Weg. Die gehörten bestimmt auch ihr. Welches war wohl ihr Zimmer? Ich tippte auf das neben dem Badezimmer, das durch einen lustigen Aufkleber zu erkennen war. Ich spähte durch den schmalen Spalt der angelehnten Tür, konnte aber

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