Die Schönen und Verdammten
und Verdammten wurde im Erscheinungsjahr zweimal nachgedruckt. Die Gesamtauflage betrug 50 000 Exemplare, war also etwa gleich hoch wie die von Diesseits vom Paradies. Der Roman stand in der monatlichen Bestsellerliste von Publisher’s Weekly im März auf Platz 10, im April auf Platz 6 und im Mai wieder auf Platz 10. Der erfolgreichste Roman des Jahres war If Winter Comes von A. S. M. Hutchinson. Fitzgerald war enttäuscht über die Verkaufszahlen, weil die Einkünfte nicht ausreichten, um seine Ausgaben zu decken, und er also weiter für Zeitschriften arbeiten musste. Taschenbuchausgaben und Buchclubausgaben gab es damals noch nicht (der Book-of-the-Month-Club startete erst 1926), und auch die [599] Filmrechte brachten nicht viel ein. 1922 waren es für Die Schönen und Verdammten gerade einmal 2500 Dollar.
Aus heutiger Sicht weist Fitzgeralds Roman Qualitäten auf, die damals noch kaum gesehen wurden. Vier Punkte sollen hier hervorgehoben werden. Zum Ersten ist das Buch eine so hellsichtige wie beklemmende Studie zum Thema Alkoholismus. Wie Fitzgerald das unmerkliche Entstehen der Sucht beschreibt, wie diese den Charakter seiner Hauptperson verändert, ja wie sie eigentlich das Subjekt der Handlung wird, ist meisterhaft – zumal Fitzgerald sowohl die tragischen als auch die komischen Aspekte des Problems ausleuchtet und die Diskrepanz von innerem Erleben und äußerer Wirkung seiner Hauptfigur in zahlreichen einprägsamen Episoden vorführt. Dadurch, dass er den Leser in die Lage versetzt, das Verhängnis kommen zu sehen, aber nicht verhindern zu können, erzeugt er zudem eine ungeheure Spannung. Die Schönen und Verdammten gehört deshalb in die Reihe der Klassiker zum Thema Abhängigkeit.
Zum Zweiten ist der Roman die meisterliche Darstellung einer unmöglichen Beziehung. Wie Zelda und Scott fühlen sich Anthony und Gloria unwiderstehlich zueinander hingezogen – und können doch nicht miteinander leben. Sie brauchen einander, ziehen aber doch nie am gleichen Strick. Deshalb sind alle ihre Projekte zum Scheitern verurteilt. Auch das sieht der Leser kommen; er verfolgt es gebannt und ist dem Geschehen ausgeliefert.
Zum Dritten hat der Roman geradezu gespenstische prophetische Qualitäten in Bezug auf Scott Fitzgeralds und Zeldas Leben. Der Autor schreibt das Buch ja, als er gerade einmal ein halbes Jahr verheiratet ist, aber er nimmt [600] alles vorweg: seinen eigenen Niedergang durch die Sucht, die Zerrüttung seiner Ehe, die Entfremdung der Schönwetter-Freunde, die später, in den dreißiger Jahren, auch verständnislos auf seine ungeschminkt autobiografischen Crack-up -Artikel reagieren werden, die finanziellen Nöte, die Demütigungen, den Lebensekel, die trotzige Selbstbehauptung, die Lebenslüge und Selbstgerechtigkeit, die fast alles zerstören werden – außer seinen Stil. Und er sieht auch Zeldas psychische Zusammenbrüche voraus. Mit seismographischer Sensibilität gibt Fitzgerald uns hier ein Bild seiner und ihrer trostlosen Zukunft.
Zum Vierten zeigt sich Fitzgerald überall dort, wo er sich nicht in altklugen Kommentaren, symbolüberladenen Girlanden und formalem Schnickschnack ergeht, als ungemein genauer realistischer Erzähler. Es gelingt ihm, nicht nur die eigene Situation, sondern auch das Bild einer Epoche in sprechenden Details einzufangen. Es ist kein Bild, das gemächlich ausgebreitet wird, sondern ein Drama von unwiderstehlichem Sog, und es zeigt bei aller Weltläufigkeit des Protagonisten wie des Autors am Ende doch wieder den Blick des Provinzlers aus dem Mittleren Westen, der nie ganz zur New Yorker Schickeria gehört hat.
Fitzgeralds oft unterschätzter zweiter Roman ist die erschütternde Chronik eines Niedergangs, ein Buch, das zugleich spannend, anschaulich, kraftvoll und hellsichtig geschrieben ist. Betrachtet man diese außergewöhnlichen Qualitäten zusammen, so nimmt man die unbestreitbaren Schwächen des Werks ohne weiteres in Kauf.
Manfred Papst
Foto: Archiv Diogenes Verlag
F. SCOTT FITZGERALD, 1896 in St. Paul (Minnesota) geboren, hatte nach den Studienjahren in Princeton mit 24 Jahren sein Ziel erreicht: Sein erster Roman Diesseits vom Paradies machte ihn auf einen Schlag berühmt und reich, mit seiner Frau Zelda stand Fitzgerald im Mittelpunkt von Glanz und Glimmer. Alles endete im schrecklichen Kater der Wirtschaftskrise. Alkohol, Zank und Geldprobleme zerstörten die Ehe mit Zelda. Um Geld zu verdienen, ging Fitzgerald 1937 als Drehbuchautor nach Hollywood, wo
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