Die schönsten Dinge
Stadt, um ins Kino zu gehen oder im Pub etwas zu trinken, und ich bleibe als Einzige hier.
An diesen Tagen sitze ich im Wohnzimmer und sehe stundenlang fern. Ãber Satellit bekommen wir Hunderte Sender herein: Dramen, Komödien und Tragödien, alte und neue. Belanglos, würde mein Vater sagen. Ich sehe das anders. Mir erscheint es wie purer Luxus, dass sich Hunderte von Schauspielern und Autoren und ihre treuen Crews so viel Mühe geben, um nur mich allein zu unterhalten. Ich liebe den Discovery Channel. Es ist, als wäre ich tatsächlich Archäologin, Herpetologin oder Rechtsmedizinerin, ohne forschen oder irgendetwas tun zu müssen. Ich kann einfach auf diesem durchgesessenen alten Sofa hängen und mich unterhalten lassen, umsonst, auf Knopfdruck.
Durch das Leben und die Arbeit auf der Farm habe ich viel gelernt. Ich liebe Erdbeeren. Schon der Anblick ist eine Freude, und dann die Farbe und der Geruch. Manchmal stehe ich nur da und esse sie, statt sie zu pflücken und in den Eimer zu legen. Ich mag nicht nur die Hunde auf der Farm, wie ich immer gedacht hätte, sondern auch die Katzen. Das frühe Aufstehen gefällt mir besser als erwartet. In der Luft liegen dann eine besondere Stille und das Gefühl, alles sei möglich. Ich mag es, Kartoffeln zu stampfen. Earl Grey mit Zitrone zu trinken. Vor dem Feuer zu sitzen und zu lesen. In der Küche des Farmhauses gibt es ein Fenster aus Buntglas, das Muster in Edelsteinfarben auf den gewienerten Boden wirft. Falls ich je ein eigenes Haus haben sollte, hätte ich gerne genau so ein Fenster.
Ich habe herausgefunden, dass ich keine Countrymusic mag. Sie ist so traurig. Wer braucht so was? Und ich mag keine Unordnung. Wenn ich noch mein eigenes Zimmer hätte, würde ich die Schränke wegschaffen, einen groÃen Kleiderschrank kaufen und meine ganzen Bären und den Kleinkram wegräumen. Nein, ich würde die Bären wegwerfen und nur den behalten, den meine Mutter mir geschenkt hat. Ich putze nicht gerne das Bad, habe aber keine Probleme mit dem Abwasch. Die Locken in meinen Haaren stören mich nicht mehr. Seit Wochen habe ich nicht mehr versucht, sie zu glätten. Ich trage alte Jeans und Flanellhemden für Männer, und erstaunlicherweise stört mich nicht einmal das.
Und ich begreife hier, dass man auf unterschiedliche Arten allein sein kann. In der Cumberland Street konnte ich in meinem Zimmer oder unter der Dusche sein, aber das ganze Haus hat mit uns geatmet. Hier bin ich sogar allein, wenn wir abends zusammen am Tisch sitzen.
Die anderen Mädchen rauchen vor dem Schlafengehen drauÃen noch eine Zigarette, reden über ihre Pläne und erzählen sich Geschichten über ihre Eltern. Mit behänden dreckigen Fingern drehen sie ihre Zigaretten selbst und halten sie beim Rauchen mit Daumen und Zeigefinger, statt sie zwischen Zeige- und Mittelfinger zu klemmen. Man könnte meinen, sie würden gar nicht überlegen, ob etwas elegant wirkt, bevor sie es tun.
Als ich fast eingeschlafen bin, klopft es an der Tür. Es muss etwas Wichtiges sein, das weià ich sofort. Jervis bekommt sonst kaum die Zähne auseinander, und Mrs Jervis nimmt mich überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie schleicht auf Zehenspitzen und flüstert, wenn sie mich kommen sieht. Vielleicht halten sie mich für eine Mörderin auf der Flucht. Offenbar sind sie meinem Vater etwas schuldig, denn meine Anwesenheit ist ihnen sichtlich unangenehm.
»Herein!«, rufe ich. Der Widerwille, mit dem die Tür geöffnet wird, ist deutlich zu spüren.
»Das war heute in der Post«, sagt Jervis. Er wirft einen Umschlag auf das FuÃende meines Bettes und räuspert sich. »Davon will ich nicht noch mehr bekommen, verstanden?«
Er sieht mich mit verkniffenem Gesicht an. Ich würde ihn nur ungern enttäuschen. Offenbar glaubt er, ich könnte Menschen, die mir schreiben wollen, allein mit meinen Gedanken steuern. Ich kann nicht widerstehen.
»Ah, endlich«, sage ich. »Klasse. Die Anweisungen für meinen nächsten Auftrag. Wer umgelegt wird und wo ich die Leiche verschwinden lassen soll. Sagen Sie mal, Jervis, Sie haben doch an der nordwestlichen Ecke dieses leere Feld, oder? Können Sie mir eine Schaufel leihen?«
Er reiÃt Augen und Mund auf, und einen Moment lang sieht er aus, als würde er gleich weinen. Dann knallt er die Tür hinter sich zu und poltert den Gang entlang. Ich muss
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