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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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eine ihren Worten entsprechende Handlung erwartete.
    Pjotr Iwanowitsch wusste, dass er ihr, ebenso wie er sich vorhin an der Bahre hatte bekreuzigen müssen, jetzt die Hand drücken, einen Seufzer ausstoßen und sagen musste: Das können Sie mir glauben! Das machte er denn auch. Und nachdem er es getan, fühlte er, dass sich das gewünschte Ergebnis eingestellt hatte: Er war gerührt, und sie war gerührt.
    »Kommen Sie, solange es dort noch nicht angefangen hat, ich muss was mit Ihnen besprechen«, sagte Praskowja Fjodorowna. »Geben Sie mir den Arm.«
    Pjotr Iwanowitsch reichte ihr den Arm, und sie begaben sich zu den auf der anderen Seite der Wohnung liegenden Zimmern, wobei Schwarz, als sie an ihm vorbeigingen, Pjotr Iwanowitsch bekümmert zublinzelte. Da haben wir nun unsern Whist! Sie dürfen es uns nicht verübeln, wenn wir jetzt einen andern Partner nehmen. Und sollten Sie sich hier doch noch frei machen können, dann spielen wir eben zu fünft!, besagte sein verschmitzter Blick.
    Pjotr Iwanowitsch stieß einen noch tieferen, noch wehmütigeren Seufzer aus, und Praskowja Fjodorowna drückte ihm dankbar die Hand. Nachdem sie den mit rosa Kretonne ausgeschlagenen Salon betreten hatten, in dem eine stets trüb brennende Lampe stand, nahmen sie am Tisch Platz – sie auf dem Sofa und Pjotr Iwanowitsch auf einem niedrigen gepolsterten Hocker, dessen Sprungfedern nicht mehr in Ordnung waren und sich dem Druck seines Gewichts widersetzten. Praskowja Fjodorowna hatte eigentlich beabsichtigt, ihn vorher auf die Schadhaftigkeit des Hockers hinzuweisen und ihn zu nötigen, sich auf einen andern Stuhl zu setzen, doch dann schien ihr das nicht ihrer Lage angemessen zu sein, und sie gab ihre Absicht auf. Als sich Pjotr Iwanowitsch nun auf den Hocker setzte, fiel ihm ein, wie sich Iwan Iljitsch bei der Ausstattung dieses Salons mit ihm über den rosa, mit einem grünen Blättermuster durchwirkten Kretonne beraten hatte. Als sich Praskowja Fjodorowna auf das Sofa setzen wollte und um den Tisch herumging – der ganze Salon war mit Möbeln und allen möglichen Sächelchen überladen –, blieb sie mit den Spitzen ihrer Mamille an den Schnitzereien des Tisches hängen. Pjotr Iwanowitsch erhob sich ein wenig, um die Spitzen loszulösen, wobei die von seiner Last befreiten Sprungfedern des Hockers sich wieder zu regen begannen und ihm Püffe erteilten. Da sich aber die Witwe schon selbst bemühte, die Spitzen loszulösen, setzte sich Pjotr Iwanowitsch wieder hin und drückte die widerspenstigen Sprungfedern nieder. Die Witwe hatte indessen nicht alle Spitzen freibekommen, und Pjotr Iwanowitsch musste sich nochmals erheben, wobei die Sprungfedern wiederum rebellisch wurden, ja sogar knirschten. Nachdem das alles erledigt war, zog Praskowja Fjodorowna ein sauberes Batisttüchlein hervor und begann zu weinen. Auf Pjotr Iwanowitsch hatte jedoch der Zwischenfall mit den Spitzen und sein Kampf mit dem Hocker abkühlend gewirkt, so dass er jetzt mit finsterer Miene dasaß. Diese peinliche Situation wurde durch Sokolow, den Küchenmeister Iwan Iljitschs, unterbrochen, der mitteilte, dass der Platz auf dem Friedhof, den Praskowja Fjodorowna ins Auge gefasst hatte, zweihundert Rubel kosten würde. Praskowja Fjodorowna hörte auf zu weinen, warf Pjotr Iwanowitsch einen leidenden Blick zu und sagte auf Französisch, ihr sei so schwer ums Herz. Pjotr Iwanowitsch nickte bedeutungsvoll, zum Zeichen dafür, dass dies seiner festen Überzeugung nach auch gar nicht anders sein könne.
    »Rauchen Sie bitte«, sagte Praskowja Fjodorowna großmütig und schmerzerfüllt zugleich, wobei ihr die Stimme zu versagen drohte, dann wandte sie sich wieder Sokolow zu, um mit ihm wegen des Preises für die Grabstätte zu sprechen. Während Pjotr Iwanowitsch eine Zigarette rauchte, hörte er, wie sie sich haarklein nach den Preisen für die verschiedenen Plätze erkundigte, bevor sie ihre Entscheidung traf, welcher Platz genommen werden sollte. Anschließend gab sie noch Anweisungen wegen der Kirchensänger, und Sokolow entfernte sich wieder.
    »Ich mache alles selbst«, sagte sie zu Pjotr Iwanowitsch und rückte die auf dem Tisch liegenden Alben auf die andere Seite hinüber; und als sie sah, dass die Asche seiner Zigarette jeden Augenblick auf den Tisch fallen konnte, beeilte sie sich, ihm einen Aschenbecher zuzuschieben, und fuhr fort: »Ich finde, es wäre Heuchelei, wenn ich erklären würde, ich sei vor Kummer außerstande, mich mit praktischen Dingen zu

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