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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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war, hatte man in der Stadt einige Klagen darüber vernommen, daß das kaum gegründete Asyl sich so ungehörig rasch bevölkere. Nun war schon einer von den Überzähligen verschwunden. Und wenn es wahr ist, daß die Armenhäusler meistens merkwürdig gedeihen und zu hohen Jahren kommen, so ist es doch ebenso wahr, daß selten ein Loch bleibt, wie es ist, sondern um sich fressen muß. So ging es auch hier; in der kaum erblühten Lumpenkolonie war nun einmal der Schwund ausgebrochen und wirkte weiter.
    Zunächst schien freilich der Fabrikant vergessen und alles beimalten zu sein, Lukas Heller führte, soweit Finkenbein es zuließ, das große Wort, machte dem Stricker das Leben sauer und wußte von seinem bißchen Arbeit noch die Hälfte dem willigen Holdria aufzuhalsen. So fühlte er sich wohl und heiter. Er war nun der älteste von den Sonnenbrüdern, fühlte sich ganz heimisch und hatte nie in seinem Leben sich so im Einklang mit seiner Umgebung und Lebensstellung befunden, deren Ruhe und Trägheit ihm Zeit ließ, sich zu dehnen und zu fühlen und sich als ein achtenswerter und nicht unwesentlicher Teil der Gesellschaft, der Stadt und des Weltganzen vorzukommen.
    Anders erging es dem Finkenbein. Das Bild, das seine lebhafte Phantasie sich einst vom Leben eines Sonnenbruders erdacht und herrlich ausgemalt hatte, war ganz anders gewesen, als was er in Wirklichkeit hier gefunden und gesehen hatte. Zwar blieb er dem Ansehen nach der alte Leichtfuß und Spaßmacher, genoß das gute Bett, den warmen Ofen und die reichliche Kost und schien keinen Mangel zu empfinden. Er brachte auch immer wieder von geheimnisvollen Ausflügen in die Stadt ein paar Nickel für Schnaps und Tabak mit, an welchen Gütern er den Seiler ohne Geiz teilhaben ließ. Auch fehlte es ihm selten an einem Zeitvertreib, da er gaßauf, gaßab jedes Gesicht kannte und wohlgelitten war, so daß er in jedem Torgang und vor jeder Ladentüre, auf Brücke und Steg, neben Lastfuhren und Schiebkarren her jederzeit mit jedermann sich des Plauderns erfreuen konnte.
    Trotzdem aber war ihm nicht recht wohl in seiner Haut. Denn einmal waren Heller und Holdria als tägliche Kameraden von geringem Wert für ihn, und dann drückte ihn je länger je mehr die Regelmäßigkeit dieses Lebens, das für Aufstehen, Essen, Arbeiten und Zubettgehen feste Stunden vorschrieb. Schließlich, und das war die Hauptsache, war dies Leben zu gut und zu bequem für ihn. Er war gewohnt, Hungertage mit Schlemmertagen zu wechseln, bald auf Linnen und bald auf Stroh zu schlafen, bald bewundert und bald angeschnauzt zu werden. Er war gewohnt, nach Belieben umherzustreifen, die Polizei zu fürchten, kleine Geschäfte und Streiche an der Kunkel zu haben und von jedem lieben Tag etwas Neues zu erwarten. Diese Freiheit, Armut, Beweglichkeit und beständige Spannung fehlte ihm hier vollkommen, und bald sah er ein, daß der Eintritt in den Spittelnicht, wie er gemeint hatte, sein Meisterstück, sondern ein dummer Streich mit betrüblichen und lebenslangen Folgen gewesen war.
    Freilich, wenn es in dieser Hinsicht dem Finkenbein wenig anders erging als vorher dem Fabrikanten, so war er in allem übrigen dessen fertiges Gegenteil. Vor allem ließ er den Kopf nicht hängen wie jener und ließ die Gedanken nicht ewig auf demselben leeren Felde der Trauer und Ungenüge grasen, sondern hielt sich munter, ließ die Zukunft möglichst außer Augen und tändelte sich leichtfüßig von einem Tag in den andern. Er gewann dem Stricker, dem Simpel, dem Seiler Heller, dem fetten Sperling und der ganzen Sachlage nach Möglichkeit die fidele Seite ab. Und das tat nicht ihm allein, sondern dem ganzen Hause gut, dessen tägliches Leben durch ihn einen Hauch von Freisinn und Heiterkeit bekam. Den konnte es freilich nötig brauchen, denn zur Erheiterung und Verschönerung der gleichförmigen Tage hatten Sauberle und Heller aus eigenen Mitteln ungefähr so wenig wie der gute Holdria beizusteuern.
    Es liefen also die Tage und Wochen so leidlich hin. Der Hausvater schaffte und sorgte sich müd und mager, der Seiler genoß eifersüchtig sein billiges Wohlsein, der Finkenbein drückte ein Auge zu und hielt sich an der Oberfläche, der Holdria blühte in ewigem Seelenfrieden und nahm an Liebenswürdigkeit, gutem Appetit und Beleibtheit täglich zu. Das Idyll wäre fertig gewesen. Allein es ging inmitten dieses nahrhaften Friedens der hagere Geist des toten Fabrikanten um. Das Loch mußte um sich fressen.
    Und so geschah es an

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