Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
einer von ihnen musste sich in den kalten Schnee setzen, andere konnten nicht mehr gehen und beugten sich einfach nur vornüber, um sich zu übergeben. Allen aber dröhnte der Kopf und keiner konnte mehr einen klaren Gedanken fassen, wie das überhaupt passiert sein konnte.
Da ihr Freund nun bei einem heidnischen Volksbrauch gestorben war, durfte er nicht in der geweihten Erde auf dem Friedhof begraben werden. Vor der Friedhofsmauer fand er sein Grab, und keiner der elf Burschen vergaß jemals, was in dieser Raunacht passiert war. Eine alte Wegsäule auf der „Tratten“ erinnert heute noch daran und fordert zum Gebet für die arme Seele auf.
Der Ring der Weitmoserin
Die Ehefrau des Gewerken Weitmoser war eine sehr schöne, aber auch ungemein hoffärtige und stolze Frau. Sie trug die kostbarsten Gewänder, die man sich nur vorstellen konnte, und ihr Schmuck war derart prächtig und wertvoll, dass eine Fürstin sie darum beneidet hätte.
So ritt sie einst in voller Pracht und Herrlichkeit selbstgefällig durch die Gasteiner Klamm. Einer Königin gleich blickte sie stolz um sich und belächelte hochmütig jeden von ihrem hohen Ross, der ihr in den Weg kam.
Da saß eine „Bettelfeggin“ am Wege, welche sie eindringlich um ein Almosen anflehte. Die reiche Weitmoserin blickte verächtlich von ihrem Pferd auf die Bettlerin herab und rief unbarmherzig:
„Hinweg, freches Bettelvolk! Was fällt dir ein!“
„Ach!“, seufzte die Bettlerin, „niemand, der heute wie du einherstolziert, weiß, ob er nicht morgen gleichfalls betteln muss! Heute mir, morgen dir!“
Da lachte die Weitmoserin schrill und arrogant auf. Dann zog sie sich theatralisch einen kostbaren Ring vom Finger und sprach:
„Eine Weitmoserin und betteln? So wenig, wie dieser Ring wieder zum Vorschein kommen wird, so wenig wird sich dein Fluch erfüllen, du Elende!“
Und mit diesen Worten schleuderte sie den Ring in die brausende, dunkelgrüne Ache, die sich tobend durch die Klamm zwang.
Die Wochen vergingen, und am Weitmoser-Hof wurde alles für ein Festmahl hergerichtet, welches Christoph Weitmoser seinen Mitgewerken gab. Da brachte der Talfischer eine große Forelle in die Weitmoser-Küche, die er einen Tag vorher in der Ache gefangen hatte. Als der Fisch nun ausgenommen wurde, fand man in seinem Bauch den Ring der stolzen Weitmoserin.
Von diesem Augenblick an begannen das gewohnte Glück und der Segen sich von dem reichen Geschlecht abzuwenden. Stollen und Schächte im ehemals reichen Bergbau stürzten ein, mussten aufgelassen werden oder wurden sogar von einbrechendem Wasser ersäuft.
Selbst die Schlösser der Weitmoser verfielen mit jedem Tag mehr und wurden Opfer des Zahns der Zeit. Der ehemals prächtige Weitmoser-Hof in Gastein mit seinem Schneckenturm steht heute verlassen und öde da, nur einige wenige Säulen lassen die frühere Pracht und Herrlichkeit erahnen. Auch der unterirdische Gang, welcher vom Hof nach dem stattlichen Schloss zu Hundsdorf führte, ist verschüttet, das Schloss selbst ein Trümmerhaufen.
So ging ein ganzes Familiengeschlecht zugrunde, das in früheren Zeiten zu den einflussreichsten Geschlechtern des Landes gehörte und vielleicht noch viel erreichen hätte können, wenn es nicht den Hochmut gäbe, denn der brachte das Haus der Weitmoser zu Fall.
Die Hunde von Dorfheim
Schloss Dorfheim, etwa eine Viertelstunde zu Fuß von Saalfelden entfernt, lag auf einer leichten Anhöhe und hatte sich von dem „Turm zu Dorf“ zu einem ansehnlichen Schloss mit Ringmauern und Ecktürmen entwickelt. Das war freilich, bevor es 1901 durch ein Feuer verwüstet wurde.
Früher lebten hier die Herren von Hunt, und von einem Ritter der Familie und seiner Frau erzählt man sich Folgendes:
Isenbart von Hunt war zu dieser Zeit – man schrieb das Jahr 887 – Gauherr vom Pinzgau und mit Irmentritt verheiratet. Sie war eine sehr schöne Frau, aber leider auch sehr stolz darauf. Nun zog Isenbart eines Tages aus, einen alten Streit auszufechten und ließ seine Frau mit einigen treuen Dienern auf der sicheren Burg zurück. Irmentritt war eben zu diesem Zeitpunkt schwanger und ging gerne, wenn es das Wetter erlaubte, an der frischen Luft spazieren. Da begegnete sie einer Bettlerin, die gerade Mutter von Zwillingen geworden war, und die sie um eine milde Gabe bat.
„Weib, was fällt dir ein!“, rief die Burgherrin, „willst du mir etwa erzählen, dass du zwei Kinder von einem Mann bekommen hast? So etwas gibt es nicht, außer du
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