Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Damit er nun endlich zu einem Urteil finden konnte, ermahnte der Richter die Anwesenden:
„Ein jeder mag seine Antwort wohl überdenken, denn ich werde euch einen Eid ablegen lassen. Aus jeder Partei sollen zwei hervortreten und die Interessen vorbringen. Worauf geschworen wird, das steht jeder Partei frei.“
Der Richter, der insgeheim auf der Seite der Bürger war – schließlich war ja auch er ein Bürger der Stadt –, ließ eine kleine Pause machen. Das war die Gelegenheit für die zwei Bürgervertreter. Der eine nahm seinen mitgebrachten Suppenschöpfer und steckte sich ihn unter den Hut, der andere hatte eine Kelle voll Erde aus seinem Vorgarten dabei und tat sie sich in die Schuhe. Bei der Verhandlung traten nun die beiden Bürgervertreter vor. Der Erste tippte sich mit der Hand an den Hut und sprach mit andächtiger Stimme:
„So wahr der Schöpfer nahe über meinem Haupt ist, gehört der Grund uns Bürgern von Neumarkt!“, und der Zweite: „So wahr ich auf meiner eigenen Erde stehe, ist der Grund unser Eigentum!“
Die Bauern erkannten, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging, und die Ruchlosigkeit der Bürger verschlug ihnen fast die Sprache. Es konnte nur eine Partei als meineidige Partei hervorgehen, es hatte gar keinen Sinn, ihren Schwur auf ihren rechtmäßigen Anteil abzulegen. Doch einem der Bauern wollte es nicht schmecken, den Bürgern so leicht ihren Anteil am Kühberg zu überlassen. Er war von ihrem Recht vollkommen überzeugt und stand auf.
„Auch wenn ihr die Meineidigen seid“, sprach er, „so würden doch wir als Meineidige bezichtigt werden, so wie das Wort eines Bürgers immer schon mehr gegolten hat als das eines schlichten Bauern. Wir wollen daher keinen Eid ableisten, es behüte uns Gott davor, lieber behaltet ihr den Grund. Aber so wahr ihr falsch geschworen habt, soll auf der Stelle, wo die beiden Meineidigen gestanden sind, kein Gras mehr wachsen.“
Der nicht abgelegte Eid der Bauern wurde dann als Zugeständnis ihres Unrechtes ausgelegt und der Grund wurde den Bürgern von Neumarkt zugesprochen.
Von diesem Tag an wuchs dort, wo die zwei Meineidigen und Tisch und Stuhl des Richters gestanden hatten, kein Gras mehr, der Teufel selber schaute darauf, dass kein Halm dort wuchs und kein Steinchen dort zu finden war. Die kleine Lichtung wurde von nun „Schwörtratte“ genannt.
Der Richter soll übrigens auch noch seinen gerechten Lohn erhalten haben, und zwar auf der Grebenzalpe bei St. Lambrecht, wo sich auch Höhlen befinden. Über diese Höhlen wissen die Einheimischen viel zu erzählen; in der Dachen- oder Dohlenhöhle hausen schwarze Vögel mit gelben Schnäbeln, die, wenn sie talwärts ziehen, schlechtes Wetter bringen. Die zweite Höhle wird Wildes Loch genannt und soll ein direkter Eingang zur Hölle sein. Manche nennen das Loch auch „Rauchfang der Hölle“, auf jeden Fall duldet der Teufel hier am Rande keinen Zaun und reißt jede Einfassung nieder. Viele Menschen und Tiere sind deswegen schon verunglückt, die anderen, welche sich ihr Leid selbst zuzuschreiben haben, sind hier mit dem Teufel in die Hölle gefahren.
Da lag eines Tages ein Bauer im Gras in der Nähe vom Wilden Loch, und dieser Bauer war damals bei dem Gericht um den Kühberg dabei gewesen. Er ruhte sich vom anstrengenden Aufstieg aus und war fast eingeschlafen, da hörte er von Ferne das Sterbegeläute. Aus dem Berg hörte er jedoch Stimmen:
„Macht das große Tor auf, jetzt wird der Richter von Neumarkt gebracht!“
Und mit einem Mal nahm er einen Höllengestank und ein Rauschen wahr und holterdipolter fuhr eine schwarze Gestalt mit einem Toten in das wilde Loch hinein.
„Das kann ich nur geträumt haben, das kann doch nicht wahr sein!“, schoss es dem Bauern durch den Kopf, und nun konnte er wirklich nicht mehr neben diesem wilden Loch liegen bleiben. „Da wird man ja narrisch, bei diesem Loch hier“, sprach er zu sich selbst und machte sich davon.
Als der Bauer am Abend wieder in Neumarkt war, erfuhr er, wem das Sterbegeläut gegolten hatte. Der Marktrichter von Neumarkt war gestorben. Da war ihm alles klar, es war also doch nicht nur ein Traum im Halbschlaf gewesen, da hatte doch wirklich der Teufel den Richter für seine Mitschuld am Betrug an den Bauern um den Kühberg mit in die Hölle genommen.
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Im nördlichsten Teil Salzburgs, im Flachgau, wohnten vor langer Zeit mehrere Adelige, die darum wetteiferten, wer mehr Macht und
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