Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
hattest Kontakt mit einem zweiten Mann, du treulose Ehebrecherin, du! Steh auf und mach dich weg hier und lass dich hier nur ja nicht wieder blicken!“
Die junge Bettlerin trug zwar ihre Armut mit Fassung, aber dass sie der Untreue beschuldigt und beschimpft wurde, nur weil sie Zwillinge geboren hatte, das ließ sie sich nicht gefallen. In ihrem Zorn verwünschte sie die reiche Burgfrau mit den Worten:
„Gott soll dich strafen, auf dass du nicht zwei Kinder, sondern zwölf zugleich bekommst. So sollst auch du erfahren, dass eine Frau ohne Sünde allein durch Gottes Willen Mutter mehrerer Kinder werden kann.“
Vor Zorn noch bebend, ging die Bettlerin weiter ihres Weges. Bereits nach wenigen Tagen begannen bei Frau Irmentritt die Wehen einzusetzen, es war noch viel zu früh, aber sie konnte ja nichts daran ändern.
Zu ihrem Entsetzen gebar sie zwölf Kinder, der Bettlerin Fluch war rasch in Erfüllung gegangen. Nun packte sie die Angst, denn sie hatte sich auch einmal mit ihrem Mann darüber unterhalten, dass Frauen, wenn sie untreu waren, den Samen von mehreren Männern austragen konnten. Was würde ihr Mann wohl von ihr halten, wenn sie ihm ihre zwölf Kinder zeigte? Sie kam sich wie eine Hündin vor, die einen ganz Wurf geboren hatte.
In ihrer Angst vor dem Zorn ihres Mannes legte sie elf der Kinder in einen Korb und gab ihn einer Magd – sie sollte die Neugeborenen im Fluss ertränken. Wenn sie aber von jemandem aufgehalten werde, so sollte sie sagen, dass sie eben erst geworfene junge Hunde zum Fluss trage.
Und wie es das Schicksal wollte, kam in diesem Moment, als die Magd die Burg durch die Hintertür verließ und hastig davonlief und noch dazu etwas unter ihrer Schürze verbarg, der Graf nach Hause. Er rief der Magd zu, doch diese lief weiter, als hätte sie nichts gesehen und gehört, und da rief der Herr:
„Halt, stopp, Mädchen – so nicht! Was trägst du aus meinem Haus, was nicht dir, sondern mir gehört?“
Der Magd traten Tränen in die Augen und ihr versagte die Stimme. Mutlos ließ sie die Schultern hängen und stellte den Korb auf die Erde. So schlug der Ritter halt selber den Korb auf und erblickte mit Schaudern die elf kleinen, nackten Leiber, dicht aneinander geschmiegt wie kleine Hunde, aber doch eben kleine Menschen. In Todesangst warf sich die Magd ihrem Herrn zu Füßen und erzählte ihm den Hergang.
Isenbart hob nun den Korb auf, in dem seine Söhne lagen und brachte sie einem treuen Untertanen in ein entlegenes Gehöft. Dessen Ehefrau sollte sich um die Kinder kümmern, als wenn es ihre eigenen wären. Der Magd seiner Frau gebot er aber Schweigen auf Leben und Tod.
Danach betrat Isenbart seine Burg und begrüßte seine Frau und die Dienerschaft, als ob nichts gewesen wäre und er von nichts wüsste.
Der im Schloss behaltene Knabe wuchs heran, wurde kräftig und klug, und so auch seine elf Brüder, von denen sonst niemand etwas wusste.
So verging Jahr um Jahr. Als nun die Knaben ihren zwölften Geburtstag erreicht hatten, veranstaltete der Graf ein großes Fest und lud viele Freunde und Bekannte ein. Seinen Sohn ließ er vollkommen neu einkleiden und das gleiche Gewand bekamen auch seine anderen elf Söhne, die er ebenfalls zu dem Fest einlud.
Während des Essens warf Isenbart nun die Frage auf, was man wohl mit einer Mutter tun sollte, die eines oder mehrere ihrer Kinder getötet hatte und wie man wohl eine gerechte Strafe finden könne.
Entrüstet rief Irmentritt, die zwar innerlich bebte und sich ihrer eigenen Schuld bewusst war, sich aber doch in Sicherheit wusste:
„Die fürchterlichste Strafe! Man muss die Kindesmörderin verbrennen!“
Da öffneten sich auf einen Wink des Grafen die Türen, welche in das angrenzende Zimmer führten, und heraus traten elf Knaben, die dem zwölften, am Tisch sitzenden Jungen völlig glichen. Wie vom Donner getroffen, stürzte Frau Irmentritt entseelt vom Stuhle, der Schreck hatte sie getötet.
Diese so wunderbar geborenen und vom Tode erretteten Knaben nannte man seitdem „die Hunde“, später dann die Herren von Hund oder Hunt. Sie blühten fort in zahlreich verzweigten Geschlechtern. Auf einem Gemälde in den Sälen zu Dorfheim ist noch heute das Geschehen um ihre Geburt dargestellt.
Die Himmelspförtnerin
Unter den frommen Frauen des Klosters zur Heiligen Agnes und Heiligen Katharina in der Traibotenstraße, der heutigen Himmelspfortgasse, lebte ein junges Mädchen, das durch seine Schönheit, Jugend und Sittsamkeit auffiel.
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